26.11.15

„Frau Müller, Sie haben in den letzten Jahrzehnten immer wieder mal  geschrieben „Das Leben ist schön!“. Würden Sie das heute, angesichts der aktuellen politischen Lage weltweit und im eigenen Lande,  immer noch sagen?“

„Ja natürlich sage, denke und fühle ich das heute noch genauso. Gerade heute. Ich habe nie behauptet, dass das Leben an sich in und auf dieser Welt ein ausschließlich kuscheliges sei. Schmerz, Leid, Enttäuschungen, Verluste, Unsägliches – jeder Mensch wird damit im Laufe seines Lebens in der einen oder anderen Weise konfrontiert. Und lernt, so oder so, damit umzugehen. Das Leben nicht zu feiern und wunderschön zu finden wäre Verrat an all den Menschen, die sich trotz all dem Mist, der Not, dem Unrecht, dem Elend immer wieder voller Hoffnung dagegen auflehnen, weiter machen, tanzen und singen und lieben, die Tag für Tag aufs Neue um ihre eigene Menschlichkeit ringen, um dann wieder und wieder dem Nächsten über alle Grenzen, allen Vorurteile, allem „Das macht man nicht, das darf man doch nicht!“ hinweg einfach die Hand zu reichen. Und diese Menschen gibt es ja. In jedem Land, an jedem Ort, zu jeder Zeit in dieser bekloppten Welt gibt es sie. Und es sind nicht wenige. Ganz im Gegenteil.“

„Na ja, das klingt jetzt aber sehr optimistisch. Überall lesen und hören wir von Mord und Todschlag, von Korruption, von Ausbeutung, von Kriegen, von Umweltzerstörungen und vielem mehr. Sind Sie nicht ein wenig blauäugig mit Ihrer Haltung, Frau Müller?“


„Klar, wir lesen darüber und hören davon. Jeden Tag. Die Meldungen überschlagen sich. Eine reißerischer als die andere. Und ja, all das gibt es. Viel zu viel davon und viele stecken mittendrin. Und? Dann geh ich raus und schau mich um in der realen Welt. Und dann sehe ich, wenn ich es denn will, in all dem Dreck immer und überall auch den einzelnen Menschen, der ohne groß nachzudenken, einem anderen Menschen hilft, beisteht, begleitet für eine Weile. Der teilt und abgibt ohne aufzurechnen. Der Zeit verbringt mit Tun und Machen, ohne an den materiellen Lohn auch nur einen Gedanken zu verschwenden. Der nicht protzt damit und sich nicht dafür ins Rampenlicht drängelt. Der einfach nur macht. Aus dem Bauch heraus. Einfach so. Weil es sich gut und richtig für ihn anfühlt. Und ich sehe diesen Menschen und seine Herkunft, seine politische Haltung, seine Religion sind mir in diesen Augenblicken sowas von völlig egal und unwichtig. Es gab und gibt sie überall. Ich meine wirklich überall. Das hat mich das Leben nämlich in den letzten Jahrzehnten gelernt. Und deshalb sage ich auch in diesen Zeiten, trotz und gerade und erst recht: Das Leben ist schön. Punkt.“

19.11.15

„Hat Frau Müller eine Idee, wie man die IS zu normalen Menschen umfunktioniert?“


„Die kann man nicht umdrehen. Psychopathen kann man nicht therapieren. Aber man kann sie kalt stellen. Wenn man denn wirklich will. Dreht ihnen den Geldhahn ab, kauft nicht ihr Öl, liefert ihnen keine Waffen, keine Nahrungsmittel, betreibt überhaupt keinen Handel mit ihnen. Ächtet sie überall auf der Welt und durch alle Staaten. Und durch alle Religionsgemeinschaften. Alle. Und nehmt die Mitglieder, die ihr kennt, und die jeweiligen Staatsschützer kennen so viele von ihnen, und steckt sie ins Gefängnis. Und die V-Leute gleich dazu. Oh, wieso kann man die festnehmen, die haben ja noch keinen umgebracht? Ne, aber man kann sie festsetzen wegen Volksverhetzung, Bildung einer terroristischen Vereinigung, wegen illegalen Waffenhandel/besitz und meinetwegen auch wegen Steuervergehen oder sonst was. Wenn man wollte könnte man sie zum Schutz und zum Selbstschutz festnehmen. Wenn man denn wollte, könnte man dies alles schon seit langer Zeit tun.“
Oh, eine neue Headline: „Der oder jener Terrorist ist tot!“. Hurra. Am besten noch mit Bilder von der Leiche. Oder gar mit Selfies von denjenigen, die ihn getötet haben. Hurra! Hurra! Ganz bekannt. Ganz widerlich. Egal von welcher Seite und für welche der gerade angesagten Wahrheiten von irgendwem auf der Welt. Mir wird schlecht. Genauso schlecht wird mir, wenn ich Kriegsdokumentationen anschaue. Ich bin dann gar nicht in der Lage, die Verstümmelten, die Toten, die Verletzten, die Traumatisieren, die an den Waffen, den Maschinen, denn Drohnen-Bildschirmen irgendeiner richtigen oder falschen, einer guten oder bösen Seite zuzuordnen. Mir ist nur schlecht. Und ich weine um sie alle. Und in meinem Kopf krabbeln kleine,  lachende Kinder herum. Kinder, die freundlich sind, offen, neugierig, so voller Vertrauen. Was muss man ihnen angetan haben und was tut man ihnen noch an, so dass nun aus ihnen Schlächter und Geschlachtete wurden. Es ist so unsäglich unfassbar. Und ich sehe da kein auch nur irgendwie sich selbst rechtfertigendes Recht oder Unrecht. Ich sehe nur Ströme von Blut und Leid und Elend. Ich will das nicht. Ich will das einfach nicht. Weder aus diesem, noch aus jenem Grunde, weder in meinem Namen, noch im Namen irgendeines Guten Zieles, noch im Namen irgendeines imaginären Menschengottes.  Ich will es nicht. 
All den Pupser, die mir jetzt seit Tagen ihr dröhnendes "Wir sind im Krieg!" um die Uhren knallen, würde ich gerne eine Woche all inclusive in einem der aktuellen Kriegsgebiete spendieren.

18.11.15

Ja, wir sind sehr gerne gute Menschen und wenn es uns mal nicht ganz gelingen sollte, weil das Leben uns ermüdet oder der Irrsinn der Welt uns beutelt, dann halten wir inne, holen tief Luft und unterstützen uns gegenseitig. Dann machen wir uns wieder auf den Weg. Ein guter Mensch zu sein - das ist der einzige Sinn des Lebens. Denn es bedeutet glücklich zu sein trotz all dem Elend und dem Dreck. Und das lehren wir unsere Kinder. Und ja, das macht manchen Menschen eine unsägliche Angst. So viel Angst, dass sie um sich beißen müssen und ihre eigene Menschlichkeit schreddern. Das tut mir leid. Doch damit hat es sich. Kein Fußbreit für Rassisten, Kriegstreiber und Menschenverachter. Punkt

8.11.15

Mein verstorbener Großvater hätte heute Geburtstag. Er fehlt mir immer noch. Ich habe so viel gelernt durch ihn. Er hat mich ermutigt, meine Träume umzusetzen und niemals ein „das-kann-ich-nicht“ oder ein „das-darf-man-doch-nicht“ akzeptiert. Trotzdem war er kein „perfekter“ Mensch. Er hat mich auch verletzt und mich als Kind immer mal wieder im Stich gelassen. Manches kann ich bis heute nicht verstehen, manches hat sich mir im Laufe meines Lebens verständnisvoll erschlossen. Unterm Strich bleibt: Er hat sein Bestes gegeben, auch in beschissenen Zeiten. Dafür bin ich ihm dankbar, unendlich dankbar.

1.11.15

Da steht der junge, leicht nervöse Kerl in voller Montur, mit dem Finger am Abzug seiner Machinenpistole, neben dir und du entscheidest dich spontan, frei und geheim, deinen Stimmzettel in die richtige Tonne zu schmeißen. Türkeiwahl. *andenkoppklatsch
Und wenn mein Verständnis für dich dann irgendwann aufgebraucht ist, bleiben da immer noch meine Achtsamkeit und unsere Würde. Nicht verhandelbar.