(Auszug aus einer Diskussionsrunde im Netz über die Hartz IV Erhöhung um 8,-- Euro)
„Wer arm ist an Geld,
ist arm an Ideen.“
Das ist einer der verquertesten Sprüche, die ich kenne.
Nur "Ideen" zu haben ist Quatsch. Denn ohne
Anschubfinanzierung lassen sich Ideen auch nicht umsetzen. Also müssen es schon
die "richtigen" Ideen sein, die potentiellen Investoren gefallen. Und
dann muss nicht nur die Idee gefallen, sie muss auch noch Gewinn/Ertrag bringen
und anderen ihren Gewinn nicht schmälern. Außerdem muss auch noch deine Nase
gefallen, deine Person, dein Umfeld, deine Geschichte, dein Charakter... Ach
Herrjeh, manche bleiben dann arm an Geld und geldwerter Arbeit, aber reich an
Ideen, ehrenamtlichen Projekten, einem sonnigen Gemüt und einem Herz wie ein
Vulkan. Nur satt, satt wird man davon immer weniger. Und das ist nicht gerecht.
Punkt.
"Vom Tellerwäscher zum Millionär" <- war da
nicht mal etwas? ... Ja, die gab und gibt es, diese Menschen, die aus dem
Nichts heraus eine Existenz aufgebaut haben. Unbesehen. Es gibt auch die, die
im Lotto gewinnen und es nicht verprassen, sondern in das neue, eigene
Unternehmen stecken oder die im DSDS gewinnen und dies als Chance nutzen, und, und....
es gab auch Gladiatoren, die die Arena lebend verlassen und Sklaven, die mit
ein wenig Land in die Freiheit entlassen wurden. Ja, das alles gab und gibt es.
Ich bin kein Mathefreak, aber mein gesunder Menschenverstand sagt mir, dass
dies in Relation zu all denjenigen, die das nicht erreichen konnten, eine sehr
kleine Zahl ist. Daraus jedoch in einer hoch zivilisierten Gesellschaft die
Norm und den Wert zu kreieren "wer arm ist, hat keine Ideen" ist
schon recht anmaßend und betriebsblind. Ich bin eine vehemente Anhängerin der
Haltung: Beweg deinen Arsch und tu was! und ich lehne es ab, dass immer wieder
Herkunft, Umstände, kleine Befindlichkeitsstörungen, etc. als Ausreden
herhalten müssen für die eigene Bequemlichkeit, für die Angst, für verdeckte
Schuld und so ein Zeugs. Aber! und dieses ABER ist ein ganz dickes: Es gibt
gesellschaftliche Zustände, Wirtschaftsfaktoren, systemimmanente Machtverhältnisse
und Verspinnungen, die es dem Einzelnen unmöglich machen, auch wenn er noch so
will und kann und vor Ideen und Energie noch so sprudelt auch nur einen
Fußbreit auf den Boden zu bekommen. Das ist für mich Realität. Realität ist für
mich aber allerdings auch, dass jeder Mensch die Wahl hat, sich damit
abzufinden und in Traurigkeit, Starre, oder Verzweiflung zu fallen, oder sich
zu wehren, sich einzubringen, laut zu werden oder sei es nur, dass er aussteigt
aus dem System, Arbeit und Glück für sich neu definiert. Aber auch dann gilt:
Zuerst kommt das Fressen und dann kommt der ganze Rest.
Übrigens geht mir seit Beginn der Diskussion der Begriff
"geplante Obsoleszenz" durch den Kopf. Was ist denn mit den
Wissenschaftlern und Technikern, die ja nur so sprudel(ten) vor Ideen, aber auf
dem Markt nicht ankommen, weil sie Produkte erfanden oder erfinden, die ein
langlebiges Haltbarkeitsdatum haben, aber keine Lobby hinter sich.
Was ist mit den ganzen Ideengebern im sozialen Bereich, die
den Auftrag der Sozialarbeit ernst nahmen, nämlich sich selbst und ihre
Tätigkeit überflüssig zu machen? Was ist mit den ganzen Mittelständischen und
den kleinen Familienbetrieben, die von den großen Ketten und Konzernen vom
Markt geschmissen werden? Was ist mit den Bauern, die ihre Höfe aufgeben
müssen, weil Mais für die Biogasherstellung höher subventioniert wird als
Getreide und die, die Zerstörung der Felder dadurch nicht mitmachen wollen und
lieber aufgeben? Was ist mit den kleinen Lokalbetreibern, die hinschmeißen
müssen, weil Gema Gebühren in astronomische Höhen wachsen? Was ist mit der
alleinerziehenden Mutter, die keinen Job findet, weil sie keinen Krippenplatz
für ihr behindertes Kind findet.... Och, da könnt ich jetzt stundenlang weiter aufzählen....
Nein, es ist nicht immer nur das eigene Versagen, die eigene
Leistungsunwilligkeit, die eigene "Schuld", der Mangel an eigenen
Ideen.
Die Welt ist ein bissl verzwickter.
"Nun, das haben manche noch nicht begriffen."
Zwei Links, die mich
in den letzten Tagen umtrieben und die vielleicht in diesen Gesprächssplitter
ganz gut passen: