23.4.21

Es sind nicht die Maßnahmen und neuen Regeln, die meine Freiheit beschneiden, sondern es ist dieses Virus, das mir Entscheidungen aufzwingt, die ich ohne es so nicht treffen würden müsste.

 

Diese Zeit macht etwas mit uns und mir.
 
Gedanken: Ich war über dreißig, als ich mich bewusst und reflektiert dazu entschieden habe Mutter zu werden.
 
Ab 15 hatte mein Leben gebrummt: Reisen, tanzen, heulen, lieben, schreien, toben, aufbegehren, Fehler machen, lachen. Nichts von den schönen, schmerzlichen, wunderbaren, entsetzlichen Dingen hatte ich, subjektiv gefühlt, ausgelassen. Ich war satt, absolut satt und zufrieden. Aus dieser Haltung heraus erlaubte ich mir das Abenteuer mit der Begleitung eigener Kinder einzugehen. Es war und wurde topp.
 
Jetzt sitze ich da und schaue mir den aktuellen Zustand vieler jüngerer Menschen an und denke: Boah, wie sollen sie unter diesen Umständen denn den Punkt erreichen, an denen sie satt und zufrieden sind und für sich daraus dann neue Wege wählen können? Kein Reisen, Tanzen, Sporten, Lernen in unterschiedlichen gesellschaftlichen Rollen, keine Erfahrungen sammeln? Was ist mit ihren Zielsetzungen? Was mit ihrer Motivation? Was mit Zukunftsplanung und dem Umsetzungswillen von Wünschen und Träumen? Kampfgeist? Wie werden gerade eine positive Weltsicht und Hoffnung, tiefes Vertrauen in ein „alles wird gut!“ genährt?
 
Was ich viel zu oft sehe sind: Frust, Depression, Müdigkeit, Ziellosigkeit, Enttäuschung, Apathie, Erschöpfung.
 
Das Schlimme: Es fällt mir gerade sehr schwer da in Einzelgesprächen Hoffnung, Mut und Zuversicht zu verbreiten.
 
Manchmal rutschen mit dann so völlig unbedarft Sätze raus wie „Das ist erst der Anfang, wird alles nur noch schlimmer werden.“, „Die Welt verändert sich in einem rasanten Tempo in eine Richtung, für die wir alle bisher keine Handlungsmuster entwickelt haben.“, „Individuelles Glück muss völlig neu definiert werden.“, „Flexibilität ist angesagt um da heil durchzukommen.“.  *andenkoppklatsch
 
Bin ich zu abgeklärt? Ist das Alterszynismus?  Eigene Rat- und Hilfslosigkeit? Überforderung? Selbstschutz?
 
Keine Ahnung. Vielleicht von allem etwas. Auf alle Fälle ein innerer Zustand, den ich bis jetzt nicht kannte. Es treibt mich quälend um.

1.4.21

Selbstbeobachtung: Wenn ich mich intensiv in virtuellen Diskursräumen aufhalte, entwickle ich mich in einem rasanten Tempo zur Misanthropin. Point of no return auch ohne Brille schon erkennbar. Bewege ich mich in realen Räumen, beobachtend, teilnehmend, zuhörend, in Kommunikation, dann bin ich ganz und gar in einem bedingungslosen Wohlwollen jedem Menschen gegenüber. Das Blöde ist nur, beides erscheint mir zurzeit verführerisch. Eine Balance zwischen beiden im Augenblick nicht denkbar, da sie Extreme sind. Schattierungen jedoch akzeptiert die Widdernatur in mir nur gegen erheblichen Widerstand. Es wäre mal wieder Zeit für den stillen Felsen hoch überm Meer. *grummel