Es war dieses VerSchweigen der eigenen Gefühle in den
erzählten Geschichten, das mich als Kind und Jugendliche verrückt gemacht hat.
In einem Arbeiterhaushalt aufgewachsen, in dem mein Großvater, als
Familienoberhaupt, sehr wohl sehr viel über den Krieg erzählte, über den
Aufstieg der Nazis, über den Irrsinn an der „Heimatfront“ und auch über
politische Zusammenhänge, damals und dann, fehlte mir in der Rückschau immer
das Sprechen über die eigenen Befindlichkeiten in all diesen anekdotenhaften
Erzählungen. Alles spielte sich auf einer distanzierten Metaebene ab. Von den
Frauen der Familie hörte ich gar nichts über ihre Erlebnisse aus diesen Zeiten.
Zumindest in meiner Anwesenheit war das nie ein Thema.
Erst als ich älter wurde und nachfragte und nicht nachgab
mit meiner wütenden Bohrerei, durchbrach ich manchmal diese Mauern der
abgeschnittenen Gefühlswelten und bekam einige Tränen der Verzweiflung, sah die
unsägliche Angst und die tiefe Verwirrtheit ob all dem Grausen kurz aufblitzen.
Aber, es waren nur Häppchen, die schnell wieder eingesammelt, relativiert
wurden durch oberflächliches Gelächter.
Es hat mich viel Kraft und schmerzliche Selbstbeschau
gekostet diesen mir vererbten klebrigen Zugang zu den eigenen Gefühlen bei mir
selbst durchlässiger zu bekommen. Ja natürlich, es hat mich geprägt.
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