29.6.24

Kassandra

"Hätten Sie sich jemals vorstellen können, sich in ihrem Leben nochmals mit Nazis auseinandersetzen zu müssen, Frau Müller?"
 
"Häh? Das mache ich ohne Unterbrechung seit mehr als fünfzig Jahren. Überraschend ist doch nur, wie viele Menschen jetzt laut und lauter dabei sind. Ich fühle mich nicht mehr wie eine verzweifelte Kassandra. Das ist neu und tut verdammt gut!"

27.6.24

Ideen

Kurze Auswahl kreativer Ideen der Politikerkaste aus den letzten Wochen:


Wir wollen Fluchtursachen bekämpfen? Dann verkaufen wir halt noch mehr Waffen!

Klimawandel? Dann bauen wir eine 10spurige Autobahn!

Fachkräftemangel? Dann schließen wir eben unsere Grenzen!

Rechtsextremismus? Wir müssen die Gefahr von Links stärker bekämpfen!

Zu wenig Geld für den Bildungssektor? Dann erhöhen wir mal den Militärhaushalt!

*denkdenkdenk Das hätte ich auch vor 30 Jahren so in etwa schreiben können. Wie erschreckend.

24.6.24

Immer noch

Wenn das Leben Kapriolen schlägt und ich mich dadurch erschlagen fühle. Wenn es mir das Herz zerreißt, der Bauch in Zuckungen verkrampft und der Verstand eine Auszeit nimmt, weil er eh kein Land mehr sieht und nur noch am SichSelbstZerfleischen ist, dann ja dann, schmeiß ich mich rein in diesen Schmerz und reiß die Türen auf für all die sonst verdrängten, verhassten, verwirrenden Gefühle. Ein kochend heißes Bad im grenzenlosen Selbstmitleid, Weltenschmerz, Jammern, Schuldzuweisungen, Unsäglichkeiten. Lamento pur. Rotz und Wasser kotzend ertrinke ich zusammen gerollt kreischend in mir. Der Tod tanzt ein verführerisches Tänzchen und reicht mir anzüglich lächelnd, den einen Ausweg versprechend, die Hand. Es ist dieser Moment, immer wieder, dieser Moment auf Messers Schneide, wenn dies die ultimativ einzige Lösung scheint, dem inneren und äußeren Grauen zu entfliehen, in dem ein Teil von mir erwacht, den ich hier ja nun gar nicht vermutet hätte. Aus all dem klebrig dunklen Morast kichert mir so unverschämt ein Stimmchen entgegen, das mich durch diese, der Situation keineswegs angemessenen, Tonlage zwingt kurz innezuhalten. Und schon hat es mich, verdammt, flüstert derart lachend vor sich hin, dass ich mich konzentrieren muss: „Na denn, wenn es so ist, dann ist es doch eh egal. Oder? Auf die paar Minuten kommt es jetzt doch auch nicht an. Er wird schon noch warten können, der olle Trickser. Irgendwann bekommt er schon sein Tänzchen mit dir. Geht kein Weg dran vorbei. Aber jetzt, hier, da könnten wir es uns doch leisten einfach mal ganz und gar ehrlich miteinander zu sein. Oder? Wenn es dir eh egal ist, das mit dem Leben und so, dann will ich dich nackt und bloß sehen. Keine Spielereien mehr, keine Masken, kein BravSein, kein JaAber, kein ich WürdeKönnteSollteMüsste Rumgehampel mehr. Zeig dich. Schamlos. Ohne Blenderei. Schau dich an. Jetzt!“ Beim ersten zaghaften Blick in meine verquollenen Augen, auf den sabbernden Mund und die knallrote Nase huscht der Verstand mit einem arroganten „Na, Dramaqueen“ wieder ins Zimmer und stolpert über mein gefauchtes „Halt nur die Klappe!“ Dieses Bild bringt mich zum Lachen. Immer wieder. Dann beginnen das Aufräumen und Zusammensetzen meines zerfetzten Selbst.

Kein Spaziergang. Niemals. Es nutzt auch nichts, dass ich den Ablauf hinterher wieder erkenne. Es ist jedes Mal aufs Neue neu und unbekannt. Schmerzhaft, auslaugend, qualvoll … reinigend, aufbauend. ...

Ja, ich begleite Menschen auch auf so einem Weg. Weil ich keine Angst vor ihm habe, auch wenn ihr Weg vielleicht ganz andere Merkmale aufweist als meiner. Ich bin da und bring mein Lachen mit. Wir verlaufen uns nicht. Versprochen.

21.6.24

Damals

„Damals war alles besser“ ist oft die schmerzliche Sehnsucht nach einer Geborgenheit, die es entsprechend der sehnenden Vorstellung so jedoch nie gab.

Ferien

KleinMadame empört sich, dass sie wohl angeblich in „Sozialverhalten“ nur eine 3 bekäme. Fünf Minuten vorher erzählt sie, dass die Klassenlehrerin angekündigt hätte, dass die letzte Schulwoche genauso ablaufen würde wie immer. Also Hausaufgaben und so weiter. Und sie (KleinMadame) daraufhin laut mit „Sie wollen uns doch verarschen!“ reagiert hätte. Klasse war begeistert. Also, sagen wir mal, das wir nix mehr mit einer bereichernden Beziehung zwischen den Beiden. Immerhin steht ja zum Glück nach den Ferien der Schulwechsel an. 😊

19.6.24

Maus

Mit Freundin im Computerladen. Sie:
 
"Ich brauche noch eine Maus mit Schnur."
"Wer hat denn heute noch ne Maus mit Kabel?"
"Sonst finde ich sie doch nicht mehr."
"Ähm. Die läuft dir weg? Fütterst du sie nicht genug?"

*Blicke des jungen Verkäufers unbezahlbar.

11.6.24

Rechtsruck

Rassismus und Fremdenfeindlichkeit sind kein Alleinstellungsmerkmal der rechten Szene. Sie tragen sie nur aggressiver und grenzenlos gewalttätiger in den öffentlichen Raum. Ich lernte in den letzten Jahrzehnten: Beide Einstellungen kennen weder Parteibuch, noch Alter, noch Geschlecht, noch Status, noch ethnische Herkunft. Diese erbärmliche Haltung scheint schlichtweg eine grundlegende Wahlmöglichkeit im menschlichen Potpourri von Handlungsoptionen zu sein. Das macht es nicht gerade einfacher.


Zur Europa Wahl und dem Rechtsruck mag ich nichts sagen. Ist alles tausendmal von mir gesagt, erklärt, veröffentlicht, gewarnt, durchgekaut worden. Die Menschheit ist so lost! 

1.6.24

Schule

Unser staatliches Schulsystem ist aufgebaut auf dem alten Gedanken einer Homogenität altersgleicher Gruppen. Binnendifferenzierter Unterricht ist schlichtweg nicht vorgesehen. Dementsprechend fehlen dafür auch die Rahmenbedingungen, z.B. entsprechend gestaltete Räume, hohe Anzahl von kompetenten dafür ausgebildeten Lehrkräften, Überarbeitung des Prüfungssystems, andere Bewertungskriterien, vorrangige Förderung in den Stärken und nicht in den Schwächen, Anwendung moderner Lehrmethoden, völlig neu erstellte Lehrpläne, ... ... ... Wissen wir alles recht gut seit Jahrzehnten. Nix passiert. Gar nix. Es ist zum Heulen.