Weltfrauentag
Nein, ich denke wir brauchen hier nicht mehr über Sinn
oder Unsinn von solchen Gedenktagen zu sprechen. Auch nicht über die
Augenwischerei von wegen Gleichheit und Gleichberechtigung und über die
Situation von Frauen und Mädchen weltweit.
Allerdings, da ich mit jungen Männern am Rande des
Abgrundes arbeitete, gehen mir folgende Gedankensplitter durch den Kopf:
Tatsache ist, dass das Fehlen eines identitätsstiftenden
Männerbildes in unseren Tagen für den einzelnen Mann oft krankmachende
Auswirkungen hat und für die Gesamtgesellschaft auf Dauer destabilisierend
wirkt.
Die Weltgesundheitsorganisation stellt fest, dass Männer
einen enormen Krankheitsvorsprung gegenüber den Frauen aufweisen. So liegen
Männer weit vorn bei Aids, chronischen Leberschäden, Erkrankungen der
Verdauungsorgane, Darmkrebs, Asthma, Emphysemen, Lungenkrebs,
Gehirngefäßerkrankungen, Kreislaufleiden, Herzerkrankungen. Die Lebenserwartung
von Männern liegt deutlich untern denen der Frauen. Zwei Drittel aller
Notfallpatienten sind Männer und Männer verweilen deutlich länger im
Krankenhaus als Frauen.
Männlichkeit wird heute weithin verunglimpft, lächerlich
gemacht und negativ etikettiert. Das bedeutet als Auswirkung, dass es dem
einzelnen Mann immer schwerer fällt, sich an einem Bild von sich selbst zu
orientieren und mit einem solchen Bild zu identifizieren.
Worum es geht, haben schon 1970 Männer im kalifornischen
Berkeley gezeigt, als sie das erste Männerzentrum gründeten und in einem
historischen Manifest zumindest schon Mal in Worte gefasst:
„Wir als Männer
wollen unsere volle Menschlichkeit wiederhaben. Wir wollen nicht mehr länger in
Anstrengung und Wettbewerb stehen, um ein unmögliches, unterdrückendes
männliches Image zu erreichen - stark, schweigsam, cool, nett, gefühllos,
erfolgreich, Beherrscher der Frauen, Führer der Männer, reich, brillant,
athletisch und heavy. Wir möchten uns selbst gernhaben. Wir möchten uns gut
fühlen und unsere Sinnlichkeit, unsere Gefühle, unseren Intellekt und unseren
Alltag zufrieden erleben“.
Jesses, Männer, ihr bräuchtet keinen Tag, ihr bräuchten
mal ein ganzes Jahrhundert zum Innehalten, zur Besinnung und zur
Neuorientierung. Und, ehrlich, langsam brennt es wirklich und ihr solltet mal
in die Pötte kommen.
Es geht mir nicht darum, den "armen" Männern
übers Haupt zu streicheln oder gar deren Emanzipation in weibliche Hände zu
nehmen. Es geht um die banale Erkenntnis aus drei Frauenbewegungen, dass
Gleichberechtigung, Gerechtigkeit zwischen und für die Geschlechter nur real
möglich sein können, wenn beide Geschlechter sich bewegen und weiterentwickeln,
ansonsten bleibt es insgesamt nur Stückwerk. Um darauf zu kommen müssen wir uns
nicht in weite Ferne begeben, sondern uns nur hier umgucken (Stichwörter:
häusliche Gewalt, Missbrauch, Alkoholismus, Lohngerechtigkeit, Verteilung in
den oberen Etagen von Wirtschaft und Verbänden, etc.) und nein, es langt nicht
als Gegenargument, dass auch Frauen Täter und Männer manchmal anders.
Doch warum tut sich da nix? Warum dümpelt die
Männerbewegung jetzt schon seit Jahrzehnten so vor sich hin?
Keine Ahnung. Ehrlich, ich verstehe es nicht und greife
deshalb auf diesen Gedanken zurück:
Warum soll ich (Mann) etwas ändern, bei dem es mir unterm
Strich doch vorgeblich gut geht? Meine Erfahrung ist, dass diese innere
Grundhaltung noch in vielen Männerköpfen zumindest unterschwellig vorhanden
ist. Aus meiner Arbeit weiß ich, dass Veränderungen ohne einen subjektiv
empfundenen Leidensdruck einfach nicht funktionieren. Du musst es ändern
wollen, mit allem, was du bist, nicht nur über den Kopf. Und ich glaube, daran
hapert es bei vielen Männern noch. Es geht gar nicht um Unfähigkeit, sondern der
innere Druck ist halt nicht da. Wie auch, in einer Gesellschaft, wo du als
Mann, egal wie du dich aufführst, innerhalb der "Männergruppe" und
auch gesellschaftlich insgesamt, immer auf Förderung, Verständnis,
Unterstützung, Mitleid zählen kannst.
Der Weg daraus? Das frage ich mich seit mehr als 45
Jahren. Allereigentlich denke ich, dass können nur die Männer unter sich
ausmachen. Die müssten anfangen, unter sich einen Druck aufzubauen,
Glaubenssätze in Frage zu stellen, sanktionieren, Männlichkeit neu definieren,
Vorbildfunktionen für die nachfolgende Generation übernehmen, und, und, und...
Solange Männer in Mehrheit nicht kapieren, dass sie mit
dem was sie tun bzw. nicht tun sich und den nachfolgenden männlichen
Generationen Schreckliches antun, solange wird sich für die weiblichen Wesen in
dieser Gesellschaft auch zukünftig nichts wirklich Grundlegendes ändern.
Wie viel Energie muss man eigentlich als Mann Tag für Tag
aufwenden um den eigenen Leidensdruck nicht wahrzunehmen und den der jungen
Jungs nicht zu erkennen?
Mensch Mann, was mit dieser Energie alles Sinnvolles
anzufangen wäre!
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