Sonntagsgedanken
Was mir in den letzten Wochen in Gesprächen (ja, ich
quatsche gerne, auch auf Distanz 😉 ) aufgefallen ist:
Das ständige, beharrliche und geschwätzige Bombardement von
verschwörungstheoretischem Unsinn, sowohl in den sozialen Medien, aber auch in
den sonstigen Medien oder gar im privaten Umfeld, macht etwas in den Köpfen von ansonsten diesem Quatsch so
gar nicht zugänglichen Menschen. Immer öfters höre ich: "Aber könnte es
nicht sein, dass an dieser oder jener Geschichte nicht doch was dran ist?"
Warum bloß?
Ich denke, es ist diese unsägliche Sehnsucht nach klaren und
einfachen Erklärungen für Dinge, die man sich selbst nicht mehr erklären kann.
Es ist der menschliche Drang nach Kontrolle über das eigene Leben. So sind wir
erzogen worden und in diesem Wertekanon sind wir fast alle aufgewachsen. In
einer Gesellschaft, in der der Einzelne weitgehend für sein Schicksal selbst
verantwortlich gemacht wird. Im Großen und Ganzen recht praktikabel, solange
man in einem befriedeten Land mit einem, bei aller berechtigten Kritik, doch
recht umfänglichen sozialen Netzwerk aufwächst.
Und jetzt das: Da taucht ein blödes Virus auf (das man nicht
mal mit dem hauseigenen Kindermikroskop sehen kann), und auf einmal brechen alle
vorgeblichen Sicherheiten unter unseren Füssen weg. Gleichzeitig werden bisher
verdrängte Mängel, Fallstricke, Unzulänglichkeiten, Ungleichheiten unseres
gesellschaftlichen Systems greller sicht- und greifbar.
„Oh, unsere Gesellschaft ist gar nicht so stabil, sozial,
fürsorglich, fair und gerecht wie bisher angenommen? Scheiße, in welcher Welt
habe ich denn bisher gelebt?“
Da knallt eine Realität in das bisher behagliche Gemüt sehr
vieler Menschen, die sie sich bis dato geweigert haben wahrzunehmen. Für manche
bricht vielleicht sogar das gesamte bisherige Weltbild keuchend in sich
zusammen und der eigene Lebensweg stellt sich abrupt in Frage. Boah, das macht
Angst und verunsichert abgrundtief. Das verstehe ich. Auch den Drang nach
schnellen, einfachen Erklärungen, Schuldzuweisungen und Abwieglungen. Schnell,
schnell eine gedankliche Decke, ein theoretisches Gerüst, damit das Reale nicht
mehr so drückt und schmerzt oder gar zu neuen Handlungen und einer völlig
anderen, eigenen sozialen Verantwortung drängt.
Ich verstehe es. Punkt. Die sich daraus entwickelnde Sehnsucht
nach neuen, alten Führern, Gurus, populistischen Welterklärern, und all diese
Scheiß akzeptiere ich jedoch nicht. Niemals.
Tja, die Welt ist komplizierter als viele bis jetzt gerne
annahmen und je näher wir uns kommen, umso konkreter, sichtbarer und
widersprüchlicher werden die winzigen Teilchen unserer Weltwahrnehmung und das
zusammengesetzte Bild passt schlichtweg nicht mehr in den bequemen vorherigen
Rahmen.
Und nun? Wir, die wir weder alte/neue Nazis oder sonstiges
rechtes Gesocks sind, könnten es als eine Chance nutzen, innehalten und uns
ohne Furcht mit den realen Welten und ihren Zusammenhängen befassen. Ohne Streit,
ohne Lästern und ohne den Drang immer Recht haben zu wollen.
Ein guter Leitgedanke dabei wäre: Die Wahrheit, wenn es sie
denn wirklich gäbe, besteht aus unzähligen kleinen Wahrheiten, die sich zum
Teil auch noch widersprechen und beharken. Und doch ergibt sich daraus
vielleicht ein großes Ganzes, dass weder Angst macht, noch unsicher. Ein
Abenteuer, vielleicht. Eine Bereicherung, allemal. Für uns alle.
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