5.11.22

Das ist einfach nicht fair.

Du begleitest jemanden über eine lange Zeit. Holst sie ganz tief unten ab und gehst mit ihr Schritt für Schritt durch all das verdrängte Elend und die schneidenden Scherben der Erinnerungen. Kaust mit ihr ihr ganzes verdammtes Leben durch, hältst sie, wenn sie verzweifelt ob all der Verletzungen und Demütigungen, die man ihr angetan hat, kotz und schreit und aufgeben will. So viel Schmerz. Du glaubst an sie, siehst dieses liebevolle Wesen, klein noch, dann wachsend. Überlebende mit wachem Verstand und so viel Liebe in sich. Siehst ihren Mut, ihr Strahlen, ihre Eloquenz, ihren Zorn, ihren sprühenden, hungrigen Geist. Aber auch die Ängste, die alten Muster, die Verzweiflung, die sie immer wieder in Wellen überrollen. Sie rappelt sich jedes Mal wieder auf und geht, geht, geht vorwärts. Findet den Partner, der so wunderbar zu ihr passt, der sie lachen und glücklich sein lässt. Du folgst ihr dann durch diese unendliche Traurigkeit, da dieses Glück sie immer wieder zurückwirft in das Tränenmeer eines: So hätte mein Leben doch all die Jahrzehnte schon sein können! 
Sie schenkte dir alles: Ihre Träume, Ängste, ihren Mut, ihre Wahrheiten, ihre Selbstverleugnungen, ihre hellen und ihre dunklen Seiten. Alles. Wirklich alles. So ein tiefes Vertrauen in sich und dich. Und sie hatte es fast geschafft. So nahe dran. Gestern noch ein hoffnungsvolles Gespräch. Dann heute Morgen die Nachricht, dass sie völlig überraschend in der Nacht verstorben sei. Wie? Warum? Wie kann sie einfach gehen? Boah Leute, ich kann nur schreien. So ein warmherziger Mensch. Es ist nicht fair, einfach nicht fair. *wein


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen