(Blitzlicht)
Manchmal weiß ich nicht mehr, weshalb, wofür, warum ich mich
immer wieder darum bemühe, Menschen mit meinen blubbernden Worten und Gedanken zu
erreichen. Dann bin ich müde, traurig, verzweifelt und nur noch am Weinen. Vier
kleine Videos habe ich mir gerade angesehen. Hintereinander. Noch etwas unausgeschlafen und dadurch distanzlos, so
dass sie mir voll ins Gehirn knallten. Amateuraufnahmen wohl alle und deshalb
sehr realistisch direkt. Nein, ich werde sie nicht verlinken, ich werde sie nur
beschreiben, denn Schreiben rettet mich gerade. Im ersten Video ohrfeigt ein
Mann in einer Gruppe von schweigend dabei sitzenden Menschen eine junge Frau. Er tut es immer wieder und schreit dabei
irgendwas in einer Sprache, die ich nicht verstehe. Die Frau wehrt sich nicht.
Immer wenn sie den Kopf hebt, schlägt er wieder zu. Keiner der Anwesenden rührt
sich. Im zweiten Video hat ein Vater seine kleine Tochter (sechs bis acht Jahre
alt schätze ich) gefilmt, nachdem sie
ihr erstes Tier getötet hat. Einen jungen Hirsch wohl. Sie zittert und kann nur
völlig hechelnd flüstern. Er sagt ihr, wie toll sie das gemacht habe. Seine Stimme
ist so ruhig und sanft. Sie kann das hilflose Zittern nicht kontrollieren, sie
bebt am ganzen Körper, ihre Augen sind entsetzt aufgerissen. Doch sie folgt
seinen Anweisungen und geht zu dem zuckenden Tier, hebt seinen Kopf am Geweih
hoch und posiert. Im dritten Video sieht man einen Zusammenschnitt von
Gewaltszenen gegen Frauen durch ihre Männer, Partner auf der Straße. Es sieht nach
Amateuraufnahmen aus, verwackelt, etwas unscharf. In einer Szene schleift der
Mann die Frau über die Straße. Unerwartet sieht man, dass sie ein Kind im Arm
festhält. Er tritt und schlägt sie und trifft dabei auch immer wieder das
kleine Kind. Im vierten Video, das wohl in Syrien gedreht wurde, versuchen
Helfer kleine Kinder unter schweren Trümmern auszugraben. Man hört das eine
Kind erbärmlich schreien. Andere sind wohl schon tot.
Diese Filmchen sind aus ganz unterschiedlichen Ländern/Kulturen
und Zusammenhängen. Sie haben eines gemeinsam: Sie fressen sich in meine Magengrube
und ich komme mir gerade so lächerlich vor mit all meinem Geschreibsel und Gemeckere
über meine, unsere täglichen popligen Sorgen und Nöte hier. Ich komme mir so
deppert naiv vor, wenn ich dann immer wieder versuche mein selbst gebasteltes positives
Menschenbild in Bilder und Worte zu fassen gegen all den Hass und das Elend und
gegen das Entsetzliche, was Menschen den Menschen antun. Vielleicht bin ich
einfach nur blöd und feige und tue das alles nur um meine eigene Seele vor dem wimmernden
Wahnsinn zu retten. Heute ist kein guter Morgen, nein, so gar nicht.
…
…
…
Ich könnte es natürlich auch sein lassen. Mir solche
Dinge nicht mehr anschauen.
…
…
…
Nein, das kann ich nicht. Es sein lassen. Das geht nicht.
Ich kann nicht so tun, als gäbe es solche Dinge nicht.
…
…
…
Nein, ich kann auch nicht aufhören an das Gute, Mitmenschliche,
Mitgefühl im Menschen zu glauben. Denn die Menschen, die diese Filme teilen,
sind ja gegen das, was dort geschieht. Sie wollen aufmerksam machen, wollen,
dass dies aufhört. Und die Helfer, die die Kinder ausgegraben haben, tun dies
voller Tränen und Verzweiflung. Aber sie tun es. Nein, es gibt auch diese
andere Seite. Und es gibt so viele davon. Es gibt sie, gibt sie, gibt sie.
…
…
…
Verarsch ich mich selbst? Ich weiß es nicht.
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