„Ich will keine Bilder von toten und verwundeten Kindern
mehr sehen. Die Maßlosigkeit dieser Bilder überfordert mich.“
Ach?! Der Herr Augstein möchte keine Bilder mehr von
getöteten, zerfetzten, zerbombten, elendig verreckten Kindern aus Syrien mehr
sehen? Weil sie einem die eigene Hilf- und Machtlosigkeiten um die Ohren hauen
würden. Oh, was für ein Argument aus einer zutiefst übersättigten und fett saturierten
Position heraus. Er spricht gar von Missbrauch der Kinder durch die vermutete
Instrumentalisierung der Kinderfotos durch die Medien. Und vom Missbrauch
seiner eigenen Gefühle beim Anschauen dieser Bilder. Herr Augstein, es gibt viele Texte und Beiträge von
Ihnen, die ich gerne zitiere, aber hier kann ich Ihnen nicht folgen. Ich bekomm
Schnappatmung beim Lesen dieses Textes. Ich halte es Ihrer unbestreitbar vorhandenen
Überforderung oder einer Magenverstimmung zugute, weil ich wohlwollend bin,
dass Sie so einen, man könnte fast schon sagen bösartigen, Unsinn verbreiten.
Ja, diese Bilder graben sich tief in die eigene Seele hinein
und ja, die anscheinende eigene Machtlosigkeit drückt einem die Luft ab. Aber!
und dieses Aber ist ein wohlbedachtes: Das Unsägliche verschwindet nicht, indem
man es nicht ansieht. Und machtlos ist niemand. Bequem, faul, träge,
verängstigt, schuldhaft verstrickt, erbärmlich, traurig, hilflos, hilflos
wütend, erstarrt vor Schrecken… ja, so und noch ganz anderskann man sich fühlen.
Aber, diese Gefühle sagen doch mehr über einen selbst, denn über die eigenen realen
Handlungsmöglichkeiten aus. Sie zum Beispiel könnten Ihre mediale „Macht“ dazu
nutzen den berechtigten Zorn, der sich aus tiefem Mitgefühl gebiert, an die
richtigen Adressaten zu lenken. Sie könnten den Menschen Wege aus ihrer vermuteten
Hilflosigkeit aufzeigen, indem Sie
endlich mal von Ihrem Thron des Kommentators in, auch sprachlich, abgehobenen Denkräumen
herunterstiegen und Bilder kreierten, die den Menschen praktische Handreichungen
und nicht nur Knoten im Gehirn anbieten würden.
Bilder, ja, Bilder schaffen Mitgefühl und Aufbegehren, wenn
die Sprache nicht mehr herankommt, weil sie sich dem Unsagbaren versagt oder
weil die sprachlich erreichbaren Gehirnzellen geschreddert oder verkümmert sind.
Und, ich höre, anscheinend im Gegensatz zu Ihnen, immer noch und immer wieder die verzweifelten
Schreie von Menschen über viele Zeiten und kulturelle Grenzen hinweg: Seht Ihr
uns nicht?! Könnt Ihr uns nicht sehen? Schaut uns endlich an, in unserem Sterben
und in unserem Leid!
Solange wir als Menschen dem Menschen zumuten so zu
verrecken, halte ich es für zumindest ebenso zumutbar, sich die Ergebnisse
dieser Zumutungen zuzumuten.
Vielleicht kommt nach dem Kotzen endlich der Zorn.
*Anmerkung
„Missbrauch“ durch fotografische Darstellung des
Unsäglichen? Sie, Herr Augstein wissen anscheinend nicht was „Missbrauch“ real
bedeutet. Schauen Sie sich die Bilder an und noch viel mehr. Dann bekommen Sie
vielleicht eine Ahnung über die wirklichen Dimensionen dieses Begriffes
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