Kampfsport an den Schulen – Ringen im pädagogischen
Kontext
von Saba Bolaghi
(2009)
Einleitung
In der vorliegenden Arbeit nähere ich
mich dem Thema „Kampfsport an den Schulen“ vor allem aus der Sicht des Ringens.
Ausgehend von meinen eigenen
Erfahrungen als aktiver Sportler seit dem 5. Lebensjahr in dieser Sportart
untersuche ich folgende Punkte:
- Kampfsport als moralische Erziehung
-
Kampfsport und Disziplin
-
Kampfsport fördert das Selbstwertgefühl,
macht selbstbewusst und selbstbewusste Menschen müssen sich nicht in
Auseinandersetzungen beweisen. - Kampfsport verhindert Missbrauch, denn
selbstbewusste Kinder sind niemals Opfer.
-
Kampfsport und Körperbewusstsein, gegen
Übergewicht und falsche Ernährung.
-
Allein gegen den Gegner und doch in einer
Mannschaft. Verantwortung für das Team durch eigene und individuell bewertete
Leistung
- Kampfsport und die besondere Beziehung
zwischen Sportler und Coach: Vertrauen, Anweisungen folgen und umsetzen.
Die sich daraus ergebenden
Erkenntnisse dienen als Basis und Ausgangspunkt für meine künftigen Studien und
stehen in engem Zusammenhang mit meinen angestrebten Arbeitsbereichen. Es
handelt sich hierbei um ein Pilotprojekt.
1. Kampfsport allgemein
„Wenn du angegriffen
wirst,
schließe
deinen Gegner ins Herz“
(Morihei Ueshiba)
Man kann zwischen
Kampfsport und Kampfkunst unterscheiden. Im Kampfsport steht demnach der reglementierte
sportliche Wettkampf im Vordergrund, bei dem es darum geht, zu gewinnen und
besser zu sein als der Gegner. In den meisten Kampfsportarten werden keine
Waffen verwendet, und wenn doch, dann nur Sportwaffen, die die
Verletzungsgefahr verringern. Wettbewerbe im Kampfsport sind in der Regel
Zweikämpfe, doch sind auch andere Wettbewerbsformen möglich.
Eine
Kampfkunst hingegen befasst sich mit Selbstverteidigung und dem Verhalten in
echten Gefahren- oder Konfliktsituationen, bei denen es keine verbindlichen
Regeln für alle Beteiligten gibt. Daher enthält jede Kampfkunst Kampftechniken,
die zum Ziel haben, einen Gegner zu besiegen, häufig auch unter der Verwendung
von Waffen.
Darüberhinaus
gehören zu einer Kampfkunst häufig noch andere Aspekte: die Vermeidung von
Konflikten im Vorfeld; die generelle Erhöhung der geistigen und körperlichen
Beweglichkeit; Kraft; Geschwindigkeit und Selbstdisziplin. Manche
Kampfkunstsysteme, vor allem aus dem asiatischen Umfeld, sehen sich als
vollständiges System der Lebensgestaltung oder Vervollkommnung mit
entsprechendem philosophischem oder religiösem Unterbau, wie beispielsweise das
japanische Budo. Vor allem heutzutage treten dabei die eigentlichen
Kampftechniken bisweilen sogar in den Hintergrund oder werden nur als Weg zum
eigentlichen Ziel verstanden.
Ich
möchte jedoch nicht zwischen Kampfkunst und Kampfsport unterscheiden. Jeder
Kampfsport ist eine Kunst für sich und darf auch so betrachtet werden. Zu dem
ist Ringen durchaus auch für die Verteidigung in einem gewaltsamen Konflikt zu
verwenden.
In diesem Sinne liegt
allen guten Kampfsportarten der Anspruch zugrunde, dass der Kämpfer im Sport
fair und nach vorgegebenen Regeln kämpft. Die Erziehung im Kampfsport, die
neben der körperlichen Ausbildung und dem Lernen der Regeln vor allem die
Einsicht in und die Förderung von Disziplin und Eigenverantwortung
umfasst, lehrt Respekt sowie Achtung des Gegenübers. Damit
wird der Lernende in die Lage versetzt auch außerhalb des Sportes Konflikte mit
nicht gewalttätigen Mitteln zu lösen.
2. Schule und Kampfsport -
Ausgangslage
„Nimm an, was nützlich
ist.
Lass weg, was unnütz
ist.
Und füge das hinzu, was
dein Eigenes ist.“
Bruce Lee
Im Sport gibt es immer eine Verbindung
von Disziplin und Ehrgeiz. Dies gilt auch für den Sportunterricht. Wenn man
sich jedoch den Sportunterricht in einer durchschnittlichen Schule anschaut,
dann stehen das Lernen und die Förderung von Disziplin und Ehrgeiz nicht
wirklich im Vordergrund. Bis auf ein paar Ausnahmen, die es in jeder
Schulsportgruppe gibt, wird der Schulsport im Allgemeinen nicht besonders ernst
genommen.
Fehlt bei den Schülern die nötige
Motivation, ist der Notendruck zu hoch, oder ist es vielleicht einfach nur grad
die falsche „langweilige“ Sportart? Gerade der letzten Punkt wäre ja für die
Motivationslage des Schülers nicht unerheblich.
In dieserm Zusammenhang stellt sich
mir die Frage, warum kein Kampfsport an
den Schulen angeboten wird? Als Argumente dagegen hört man zum Beispiel: Die
Verletzungsgefahr sei zu hoch; die Aggressivität der Kinder würde durch diese
Sportart gefördert; es sei kein Sport für Jedermann, da bestimmte körperliche
Voraussetzungen gegeben sein müßten. Das sind jetzt nur drei von wahrscheinlich
unzähligen möglichen Gründen, warum Kampfsport an Schulen abgelehnt wird. Es
gibt jedoch eine Reihe guter Argumente für die Einführung bestimmter
Kampfsportarten in den Schulsportunterricht. Einige davon finden sich in der
vorliegenden Arbeit.
3. Kampfsport als moralische Erziehung
Ich habe
drei Schätze, die ich hüte und hege: Der eine ist die Liebe, der zweite ist die
Genügsamkeit, der dritte ist die Demut. Nur der Liebende ist mutig, nur der
Genügsame ist großzügig, nur der Demütige ist fähig zu herrschen.
Laotse, (6.
oder 4. - 3. Jh. v. Chr.)
Kampfsport ist schon immer neben dem
eigentlichen Sport auch eine Erziehungsmethode. Dazu fällt einem die japanische
Kultur ein. Ein Kung-Fu Schüler der alá Karate-Kid von seinem Meister trainiert
und in Sachen Moral erzogen wird.
In allen traditionellen asiatischen
Kampfsportarten ist das eine Grundlage der Ausbildung. Der Trainer ist eher Lehrer
fürs Leben und moralischen Fragen machen einen Großteil des Trainings aus. Auch
die Mönche schreiben allgemeine Erziehung neben dem Kampfsport groß. Den
Kindern wird Kampfsport und geistige Weisheit gelehrt. Laut den Mönchen ist die
Kampfkunst ohne die geistige Weisheit genauso wenig wert wie umgekehrt. Platon
hat behauptet, dass Geist und Körper mit einander harmonieren müssen. So muss
der Körper genauso wie der Kopf geschult werden.
Die persische Kultur sieht das
ebenfalls so. Nur wer sich geistig entwickelt, kann auch im Sport Fortschritte
machen.
Trainer sollten also mehr sein als nur
Lehrer für Kampftechniken, sondern den Geist ebenso wie den Körper schulen
Darum gehören zu vielen Kampfsportarten ja auch Meditation und Yoga dazu.
Kampfsport ist also nicht nur stumpfes Kämpfen und nicht nur darauf
ausgerichtet andere zu verletzen oder außer Gefecht zu setzen. Es ist eine
Ergänzung zur alltäglichen Erfahrung.
Einem Kampfsportler gehört demnach
nicht nur die Kampfkunst gelehrt, sondern auch das dementsprechende Verhalten
damit umzugehen und Verantwortung zu tragen für sich und sein Können.
Aus eigener Erfahrung kann ich sagen,
dass ich im Kampfsport viel gelernt habe und die Erfahrungen auch auf meinen
Alltag beziehen konnte. Mein Sport wurde zu einem zentralen Lebensthema und
meine Lebensfragen zu einem Teil des Sportthemas.
Ich lernte die moralischen
Erkenntnisse aus dem Sport auch auf andere Lebenssituationen zu übertragen:
Nach jeder Niederlage zerbreche ich mir den Kopf über Sachen wie die Folgen
meiner Niederlage für andere, ob ich jetzt mehr oder weniger Wert bin als vorher
oder warum ich nicht besser sein konnte als mein Gegner. Am Ende lernt man
Niederschläge einzustecken und aus Niederlagen zu lernen und beim Siegen die
Nase nicht zu hoch zu tragen oder abzuheben. Denn wer hoch fliegt, fällt tief.
Es ist wichtig im Kampfsport immer mit
beiden Beinen auf dem Boden zu stehen und sich klar zu machen, dass man nach
jedem Sieg oder jeder Niederlage immer noch derselbe Mensch ist wie vorher.
Diese Erfahrungen macht man natürlich nicht nach einem Kampf, sondern es
braucht eine Vielzahl an Trainingseinheiten, Kämpfen, Siegen und Niederlagen.
Oft halfen mir auch die Erfahrungen anderer erfahrener Ringer.
Was mich sehr berührt ist, dass man sogar selbst zum Vorbild für andere wird.
Im Kampfsport ist also ein ständiger Erfahrungen-
und Kenntnisaustausch im Gange. Das konzentriert sich meistens dann in
Mannschaften und Vereinen, wo sich Ringer auch öfters sehen.
Siegen und Verlieren muss gelernt
sein. Der Respekt vor dem Verlierer sowie dem Sieger ist unbeschreiblich wichtig
um im Sport voran zu kommen. Ein Verlierer ist nicht weniger wert als ein
Sieger und genauso ist ein Sieger nicht mehr wert als ein Verlierer. Auch wenn
die Auseinandersetzung dieses Mal zugunsten des einen ausging, kann sie beim
nächsten Mal zugunsten des anderen ausfallen.
Nehmen wir an, man gewinnt einen
schweren Kampf oder eine Meisterschaft. Nun könnte man doch behaupten, dass man
etwas erreicht hat und anscheinend besser ist als die Anderen. In den nächsten
Trainings- oder Kampfeinheiten folgt dann die Ernüchterung. Man wird erst mal
wieder auf den Boden der Tatsachen zurück gebracht. Denn es kann passieren,
dass man nach jedem Sieg abhebt und den Respekt vor anderen verliert. Ohne
Respekt vor seinem Gegenüber verliert man auch die Konzentration, mit der man
in einen Kampf rein geht. Ohne Konzentration ist Erfolg ausgeschlossen, denn
egal wie gut man ist, man kann ohne Konzentration keinen Kampf erfolgreich
beenden. Sprich, man bekommt erst mal ordentlich auf die Mütze. Man lernt
daraus jeden Mitstreiter zu respektieren, denn egal ob der Gegenüber gut oder
schlecht ist, er will auch gewinnen und allein das verdient Respekt.
Respekt ist ein wichtiger sozialer
Punkt im Sport. Besonders im Kampfsport ist Respekt ein zentraler Wert. Respekt
vorm Trainer, vorm Kampfplatz, vorm Schiedsrichter, vorm Gegner, vorm Publikum,
vor sich selbst und vor allem Respekt vor dem Sieg oder der Niederlage.
Respektierst du, dann wirst du respektiert.
Auch sich in jemanden
hineinzuversetzen mag gelernt sein. Man kämpfe gegen jemanden, der von
vorneherein schwächer ist als man selbst und findet Gefallen daran ihn zu
besiegen und evtl. vorzuführen um sich selbst groß zu machen. Der sich daraus
ergebende Sieg schmeckt schal. Das kennt man auch von den Auseinandersetzungen
in der Schule. Jemand geht auf einen Schwächeren los und ist somit von
vornerein der Überlegene. Anstatt es einfach zu lassen und seine Stärke nicht
auszuspielen will er sich vor seinen Freunden oder dem Publikum groß machen und
demütigt den Gegenüber körperlich oder verbal.
Im Kampfsport soll sowas auch
vorkommen, jedoch gibt es immer jemanden der stärker ist als man selbst und
wenn man mal in der Situation der Niederlage und Demütigung war, weiß man wie
sich das anfühlt. Es ist also möglich sich in die Position des anderen hinein
zu versetzen. Da man nun weiß, wie es ist gedemütigt zu werden oder als
Verlierer da zu stehen. So lernt man Achtung vor diesen Gefühlen zu haben und
versucht jeden vor diesem Gefühl zu bewahren.
Wie schon angedeutet gilt dies nicht
nur für den Kampfsport oder allgemein für den Sport, das gilt natürlich auch im
Alltag. So lernen Schüler also Respekt vor ihrem Gegenüber und dem Trainer. Das
lässt sich dann auch auf Mitschüler und Lehrer übertragen. Respekt ist ein
wichtiger Aspekt in der sozialen Ordnung.
Anders als in den meisten Sportarten
ist Ringen ein individueller Sport bei dem jeder für seine eigene Leistung
verantwortlich ist. Demnach ist man auch selbst für seine Niederlage
verantwortlich. Niederlagen gehen immer auf das eigene Konto und man kann
niemanden sonst dafür verantwortlich machen. Der wahrscheinlich größte Vorteil
dieser Sportart ist, dass jeder Kampf und das Niveau einer Einheit immer
abhängig von dem individuellen Können der beiden beteiligten Sportler ist.
Nehmen wir als Beispiel die Sportart Fußball. Es gibt immer welche im
Unterricht die besser spielen als andere. Meistens rücken diese dann ins
Abseits und sind kaum noch aktiv am Spiel beteiligt. Und dann ist es so, dass
wenn sie mal aktiv am Spiel beteiligt sind und nicht die nötige Leistung
bringen, die von ihren Teamspielern erwartet wird, negativ angeschaut oder gar
verbal beschimpft und beleidigt werden. Das gibt es beim Ringen nicht, denn
selbst auf der niedrigsten Stufe des Könnens kann ein attraktiver und logisch
schöner Kampf entstehen.
Und wenn ich das mal so sagen darf, es
gibt keinen faireren Kampfsport als Ringen. Hier ist jeder gleich gestellt. Es
heißt Mann gegen Mann, Frau gegen Frau, ohne Waffen und jeder kämpft unter
denselben Regeln.
Für Schüler empfiehlt sich Ringen also
aus der Sicht der moralischen Erziehung, da sie lernen zu respektieren und
respektiert zu werden. Man eignet sich eine gewisse innerliche Ruhe an, da man
sich nicht mehr außerhalb des Sportes immer unter Beweis stellen muss. Man
lernt einfach wann der richtige Zeitpunkt ist und der ist meist auf Matte. Es
herrscht eine gewisse Gleichberechtigung, denn jeder kämpft, siegt, verliert
und geht an seine Grenzen. Und somit ist jeder auf einer Ebene und keiner
verliert den Boden unter den Füßen.
Gleichzeitig lernt man im Ringen, das
man für sein Tun selbstverantwortlich ist und dass die Eigenverantwortung nicht
mit dem Verlassen der Sporthalle beendet ist.
4. Kampfsport und Disziplin
Es gibt
nichts Besseres als Selbstbeherrschung.
Wer andere
besiegt, ist stark.
Wer sich
selbst besiegt, ist mächtig.
Laotse, (6. oder 4. - 3. Jh. v. Chr.)
Wie jeder weiß, gehört Disziplin
einfach zum Sport dazu. Ohne Disziplin kommt man nicht voran, das gilt im Sport
wie im Leben. Disziplin wird nämlich nicht nur vom Trainer und dir selbst im
Sport verlangt, sondern auch neben dem Sport. Eventuell von deinen Eltern,
Lehrern und auch Freunden. Um sie anwenden zu können muss man es erst einmal
lernen. Und wo lernt man das besser als im Kampfsport? Denn nur im Kampfsport
bekommt man die Konsequenz einer evtl. Undiszipliniertheit sofort und
unausweichlich zu spüren. Als Reaktion durch den Trainer, den Schiedsrichter
oder des Gegners in einem Kampf.
Disziplin ist der Schlüssel zum
Erfolg. Wer diszipliniert trainiert, wird erfolgreich sein und wer möchte das
nicht? Jeder Kampfsportler weiß, was er will und was nicht. Er setzt sich ein
Ziel und das versucht er dann konsequent mit Disziplin zu erreichen.
Für die Schüler rentiert sich also der
Kampfsport um sich die Disziplin bzw. Selbstdisziplin anzueignen. Diszipliniert
durchs Leben zu gehen bringt Ruhe in den Alltag. Denn jeder, der weiß, was er
will, kann dem zielstrebig nach gehen. Allerdings heißt die disziplinierte
Verfolgung eines Ziels auch auf bestimmte Sachen zu verzichten. Und dessen muss
man sich im Klaren sein. Ich kann aus Erfahrung sagen, dass es meist nicht
leicht war. Der darauf folgende Erfolg machte aber meist wieder alles gut. Wie
gesagt, man muss halt wissen, was man will.
Wie oft musste ich auf Partys mit
Freunden, auf freie Abende, auf leckeres Essen oder allgemein auf Dinge
verzichten die ich in dem Moment bevorzugt hätte. Stattdessen saß ich zuhause,
rang Monate lang jeden Samstagabend irgendwo in Deutschland und kam erst um
vier Uhr morgens nachhause anstatt daheim zu bleiben und evtl. ein netten Abend
mit den Freunden verbracht zu haben.
Wie oft durfte ich meiner Schwester
dabei zu sehen wie sie beispielsweise genüsslich eine Pizza oder einfach kurz
gesagt Junk Food verputzte und ich vor einem Teller mit einem trockenen Stück
Fleisch und einem puren Haufen Nudeln saß. Wer sein gewünschtes Kampfgewicht
erreichen will, muss halt auf bestimmte Nahrungsmittel verzichten. Genauso ist
es auch mit der Zeit, Kraft und Schmerz die man in seinen Sport steckt. Hier
ist einfach Selbstdisziplin gefragt.
5. Kampfsport fördert das
Selbstwertgefühl, macht selbstbewusst und selbstbewusste Menschen müssen sich
nicht in Auseinandersetzungen beweisen und sind auch keine Opfer.
Auf der
Welt gibt es nichts, was weicher und dünner ist, als Wasser.
Doch um
Hartes und Starres zu bezwingen, kommt
nichts diesem gleich.
Daß das
Schwache das Starke besiegt, das Harte
dem Weichen unterliegt,
jeder weiß
es, doch keiner handelt danach.
Laotse, (6. oder 4. - 3. Jh. v. Chr.)
Ich glaube, in keinem anderen Bereich
des Sportes bekommt man das Resultat seiner Leistung so unwiderruflich und
direkt zu spüren wie beim Kampfsport. Das bezieht sich auf Fehler, aber genauso
auch auf Erfolge und gute Leistungen. Dieser Erfolg wirkt sich direkt auf einen
selbst aus und man ist ganz allein derjenige, dem er zugeschrieben wird. Man
merkt zu was man in der Lage ist und lernt es mit der Zeit einzuschätzen. Das
macht selbstbewusst. Wer weiß, was er kann und was nicht, der kann sich
einschätzen und weiß, er kann auf sich und sein Können vertrauen.
Wer sich auch nach einer Niederlage
bewusst ist, dass er wieder aufstehen kann und es immer wieder weiter geht, der
hat keine Angst davor sich zu zeigen und auch mal ein Risiko einzugehen und
eventuell einen Rückschlag einzustecken. Das sind alles Erfahrungen, die man im
Kampfsport macht und auch auf das Leben
beziehen kann.
Schüler lernen also mit dem Begriff
Selbstvertrauen um zu gehen. Sie werden
selbstbewusst und lernen ihre Meinung vor anderen sagen zu können, ganz
egal ob sie jemandem passt oder nicht. Am Ende ist man immer selbst derjenige,
der dazu stehen muss. Das ist im Kampf so und im realen Leben. Denn genau wie
du im Ring oder auf Matte alleine da stehst und nur du dich repräsentierst, so
stehst du auch im Leben da. Du bist verantwortlich für deine Taten. Auch wenn
mal was nicht so gut läuft, weißt du aber damit um zu gehen und findest eine
Lösung. Im Ringen kann es sein, dass mal eine Taktik oder eine bestimmte
Situation nicht ganz so glücklich verläuft wie geplant. Genau in solch einer Situation
musst du schnell umdenken können. Das Passierte gehört abgehakt und es muss
schnellstmöglich eine Lösung her.
Man versucht auch nicht mehr nur
seinen Kopf durch zu setzen. Auch andere werden beachtet und respektiert. Denn
im Kampfsport ist es wichtig auch auf Erfahrungen anderer zu hören und zu
versuchen diese umzusetzen um sich schneller und besser zu entwickeln. Im Leben
sollte das genauso sein. Jeder hat seine Meinung und diese wird respektiert. Ob
man mit den Erfahrungen Anderer was anfangen will und kann, liegt bei einem
selbst. Aber niemand wird verachtet oder ist irgendwie negativ zu betrachten,
nur weil er eine andere Meinung hat oder andere Erfahrungen gemacht hat als man
selbst.
Machtkämpfe im Klassenraum oder in den
Gruppen werden nicht mehr so kritisch betrachtet. Ihr Stellenwert verändert
sich. Jedem ist sein Platz gegeben. Im Kampfsport ist jeder auf demselben
menschlichen Niveau. Auch wenn es leistungsbedingte Klassenunterschiede gibt,
ist keiner menschlich weniger wert als der andere. So ist es auch in jeder
beliebigen Gruppe. Zwar gibt es welche, die in einem vielleicht besser sind als
man selbst, doch ist man auf einem anderen Gebiet vielleicht besser als die
anderen.
Und abgesehen davon, wenn einer seine
Kraft messen will, wird das in einem Wettkampf bestritten.
Dazu kommt eigentlich einer der
wichtigsten Punkte. Die Opfermentatlität entfällt. Selbstbewusste Kinder sind
keine Opfer. Selbstbewusste Kinder können „nein“ sagen und wissen sich und ihre
Meinung zu schützen.
Auch was den gesellschaftlichen
Brennpunkt von Vergewaltigungen und Misshandlungen von Kindern angeht.
Selbstbewusste Kindern sind viel seltener Opfer in solchen Fällen als Kinder
mit einem eher schlecht ausgebildeten Selbstwertgefühl und Selbstbewusstsein.
Dies belegen zahlreiche Studien. Somit ist Kampfsport auch eine der
nachhaltigsten Formen von Prävention.
Was eigentlich schon an das nächste
Thema anknüpft. Übergewicht ist ein akutes Thema der deutschen Gesellschaft.
Allein dass beim Ringen jedes Gewicht akzeptiert ist und es an sich egal ist ob
man 40Kg oder 80Kg wiegt, man tritt gegen gleich schwere Gegner an. Somit ist
jedes Kind mit seiner eigenen individuellen Figur und seinem Gewicht in diesem
Sport integriert. So entstehen auch keine Hänseleien. Denn es gibt dünne,
dicke, große, kleine, kräftige und schmächtige Gewinner. Jeder kann sein Bestes
geben und gewinnen, genau so wie er ist.
6. Kampfsport und Körperbewusstsein,
gegen Übergewicht und falsche Ernährung.
„Was kann also für die künftige
Nachkommenschaft heilsamer und nötiger sein, als allen
Kindern, die wir zum Studieren verdammen, zugleich eine Kunst, welche eine
körperliche Übung erfordert, lernen zu lassen, und ihnen
dadurch früh eine Neigung zu dem einzigen Mittel, ihre Gesundheit zu erhalten, beizubringen.“
Justus
Möser, (1720 - 1794), deutscher Schriftsteller und Historiker
Körperbewusstsein ist, wie ja
vermutlich allgemein bekannt, ein immer aktuelles Thema in Deutschland.
Im Ringen ist das Körperbewusstsein
eines der wichtigsten Bestandteile. Wegen den bestehenden Gewichtsklassen,
kommt man gar nicht drum herum seinen Körper kennen zu lernen und zu lernen mit
seinem Gewicht um zu gehen.
Der Vorteil hier ist, dass der
Kampfsport immer eine bestimmte Physis voraus setzt und dies auch fester
Bestandteil des Trainings ist. Somit sind auch Probleme wie Rücken- oder
Gelenkschmerzen der Kinder schnell behoben. Beim Ringen ist es wichtig nicht
ausschließlich spezifisch eine Muskelgruppe zu trainieren, sondern es werden
jeder Muskel und jede Körperstelle des Körpers zu einem bestimmten Grad
ausgebildet.
Jedes Anfängertraining beginnt mit
einem konstruktiven Grundlagentraining. Im fortgeschrittenen Bereich ist
alleine die Erwärmung und das Training selbst ein Krafttraining für den Körper.
Im Kampfsport und speziell im Ringen
ist die richtige Ernährung eine Überlebensregel. Da Ringen sehr intensiv ist,
ist es wichtig die Ernährung über den ganzen Tag zu planen um im richtigen
Moment die notwendige Leistung zu bringen.
Somit lernen die Schüler also neben
dem Sport auch sich gesund zu ernähren. Durch das eventuell notwendige
„abkochen“ auf ein bestimmtes Gewicht, lernen sie ihre Nahrung und die
Verwertung derselben durch ihren Körper kennen. Sie lernen was sie zu essen
haben um Energie zu gewinnen ohne zuzunehmen. Oder sie lernen was notwendig ist
zu sich zu nehmen um Muskelmasse aufzubauen, um konditionell besser da zu
stehen oder um Kraft aufzubauen.
Man lernt den Unterschied zwischen
Hunger und Appetit. Ich kann nur sagen, wer gekochtes Gemüse oder trockenen
Salat ungenießbar findet, der weiß einfach nicht was Hunger ist. Wenn man
abkocht und sein Essen derart reduziert, dass man Freunde schon als laufende
Hähnchenkeulen betrachtet, der ist überglücklich wenn er mal in ein trockenes
Stück Schwarzbrot beißen darf. Die Situation des Abkochens ist einfach eine
Erfahrung für sich. Man lernt seinen Körper besser kennen, weiß was er braucht
und was nicht.
Die Umwelt wird viel intensiver wahr
genommen. Man riecht, schmeckt und fühlt ganz anders als normalerweise. So ist
ein Hamburger nicht halb so lecker wie ein ordentliches Stück Fleisch, was auch
satt macht und einem Energie gibt.
Selbst durch Verletzungen wird man
reicher an Erfahrungen und Kenntnissen über seinen eigenen Körper. Auch wenn
die Verletzungsgefahr beim Ringen nicht annähernd so hoch ist wie beim Fußball
oder geschweige denn beim Handball. So wirst du mit deinem Körper unweigerlich
konfrontiert und lernst mit deinen Handicaps umzugehen.
Auch die Körperkoordination wird im
Ringen sehr gut ausgebildet. Auch das ist im Alltag sehr nützlich. Man nehme
ein Sturz vom Fahrrad. Der wird schnell mal mit einer eleganten Rolle
kompensiert, wogegen sich andere Leute ernsthafte Verletzungen zufügen können.
Viel wichtiger jedoch ist, wie oben
schon erwähnt, dass jedes Kind erstmal so angenommen wird, wie es ist. Das
Gewicht spielt am Anfang keine andere Rolle als die Einteilung in die jeweilige
Gewichtsklasse. Erst durch regelmäßiges Training wird klar, ob der individuelle
Körperumfang wirklich der mir zughörige ist. Bin ich einfach, durch falsche
Ernährung, nur zu fett, dann reguliert sich dies mit der Zeit durch das
regelmäßige Training und das dazugehörige gesundes Essen. Entspricht mein
Gewicht jedoch meiner Gesamtkonstitution, dann pendel ich mich mit der Zeit
darauf ein und bringe meine Leistung in der entsprechenden Gewichtsklasse.
Anerkennung und das daraus resultierende Selbstwertgefühl wird nicht mehr an
Äußerem festgemacht, sondern daran, wie ich entsprechend meiner Gewichtsklasse
das im Training gelernte auf der Matte umsetzen kann.
Ich habe eine Menge übergewichtige
junge Kinder von der ersten Trainingsstunde bis ins Jugendalter bgleiten
dürfen. Welch eine Freude war es, sie von den ersten schamhaften Anfängen auf
der Matte bis zum Ligakampf in einer hohen Gewichtsklasse zu beobachten. Waren
sie am Anfang noch schüchtern, ja schämten sie sich gar als kleiner Mops im
Rampenlicht des Zweikampfes zu stehen, so strahlten sie nach einiger Zeit
Selbstbewußtsein aus. Sie hatten sich mit ihrem Körper auseinander gesetzt, ihn
durch Disziplin und sorgsamen Umgang mit ihm, geformt und akzeptiert. Man
könnte sagen, sie haben ihren Körper in Besitz genommen und gelernt freundlich
und bestimmt mit ihm umzugehen. Auch hier geht es wieder um gelernte
Eigenverantwortung.
7. Allein gegen den Gegner und doch in
einer Mannschaft. Verantwortung für das Team durch eigene und individuell
bewertete Leistung.
Wer zur
Gemeinschaft unfähig ist, der ist es auch zur Freundschaft.
Plato, (427
- 348 od. 347 v. Chr.)
Obwohl die meisten Kampfsportarten als
Individual Sportarten gelten, ist Ringen eben auch ein Mannschaftssport. Es
gibt Mannschaftskämpfe und auch Ligen.
So ist im Ringen, obwohl es an sich
eine Individual Sportart ist, auch besonders Teamgeist und das Zusammenwirken
in der Mannschaft gefragt. Eine Mannschaft besteht in der Regel aus zehn
Ringern in unterschiedlichen Gewichtsklassen. Die Gewichtsklassen gehen los mit
50Kg und enden bei 120Kg.
Es ist auf keinen Fall so zu sehen,
dass man einfach nur Einzeln ringt und die Punkte von jedem nur zusammen
gerechnet werden. Jeder steht hinter jedem und es ist ein komplett anderes
Gefühl auf Einzelmeisterschaften zu kämpfen als in der Liga bzw. in Mannschaftkämpfen.
In den Mannschaftskämpfen steht man
zwar genauso allein auf der Matte wie bei den Einzelkämpfen, doch wenn man dann
zurück blickt in seine eigene Ecke, dann stehen da neun Ringer, die für einen
da sind und sich auf dich verlassen. Man ist plötzlich noch mehr verantwortlich
für sich und seine Leistung und gleichzeitig für den Sieg oder die Niederlage
neun anderer Ringer. Man lernt dadurch mit Drucksituationen durch die Gruppe
umzugehen und sich gemeinsam füreinander verantwortlich zu fühlen.
Ich hatte bei meinen ersten Mannschaftskämpfen
enormen Leistungsdruck. Nach einer Weile legt sich das, denn man merkt, es wird nichts Unmögliches von einem
verlangt. Solange man einfach auf die Matte geht und sein Bestes gibt, wird man
anschließend von der Mannschaft weder gerügt noch ausgeschlossen. Genau wie im
Leben kann man nicht mehr Leistung bringen, als man eben vermag. Und genau
dieses wird von den anderen durch Aufmerksamkeit, Jubel, Verständnis, Trost und
Aufbau belohnt. Allerdings, und es sei nochmal erwähnt, weil es wichtig ist: du
gibst dein Bestes. Und ich versichere dir, jeder einzelne aus der Mannschaft
weiß genau, was jeweils dein Bestes ist. Man kennt sich eben aus dem Training.
Und so kann auch eine Niederlage auf der Matte zu Lob und Jubel durch die
Mannschaftkollegen führen, eben weil sie genau wissen, dass du absolut bis zu
deiner Leistungsgrenze und vielleicht ein Stückchen darüber hinaus gegangen
bist. Das ist ein verdammt gutes Gefühl und hebt das Selbstbewußtsein und führt
dazu, sich noch kritischer zu hinterfragen und die Selbstdisziplin noch weiter
zu erhöhen.
Aus eigener Erfahrung kann ich sagen,
dass die Freunde, die in meiner Mannschaft sind, mir emotional weit mehr
verbunden sind als die Freunde, die ich vielleicht aus der Schule kenne oder im
Alltag kennen gelernt habe. Denn ein Freund, der mit mir sechs Monate lang
jeden Samstag an meiner Seite steht, mich in allem was ich tue unterstützt, der
immer hinter mir steht, wenn ich auf der Matte stehe und der zu mir hält, egal
ob ich gewinne oder verliere und der kurz gesagt jeden Samstag mit mir durch
die Hölle geht, dem kann ich voll und ganz vertrauen.
8. Kampfsport und die
besondere Beziehung zwischen Sportler und Coach: Vertrauen, Anweisungen folgen
und umsetzen.
"Meister und Schüler sind wie zwei Freunde, die das gleiche Potential besitzen, doch der eine schläft noch und braucht Hilfe, um austehen und sein Potential manifestieren zu können."
(Sri Chinmoy)
Alleine ist noch keiner
ein guter Kampfsportler geworden. Wie in jeder Individualsportart bezieht sich
ein Trainier nicht nur auf eine ganze Mannschaft, sonder muss sich um jeden
Kämpfer einzeln kümmern. Jeder Kämpfer hat andere Voraussetzungen, Bewegungsmuster
und Kampftechniken und soziale und aktuelle Befindlichkeiten und die gilt es
als Trainier zu kennen. Beim Ringen ist ein Trainer deine engste Kontaktperson.
Der Trainer und der
Sportler bilden ein Team
Der Tainer übernimmt
verschiedene Rollen: Er ist väterlicher Freund, Repektsperson, Vertrauter,
Verantwortungträger, Vorgesetzter, The Boss.
Wenn ein Trainer jemanden als seinen Schüler annimmt, so nimmt er ihn als einen
Teil seiner selbst an. Ist der Schüler
unvollkommen, so bleibt auch der Trainer unvollkommen
und umgekehrt ebenso.
Ein guter Trainer weiß um
seinen Schüler. Weiß, wo dieser steht und was ihm zumutbar ist. Er muss im
richtigen Zeitpunkt hart sein wie ein Fels in der Brandung und an anderer
Stelle weich und verständnisvoll.
Die Beziehung zwischen dem
Trainer und dem Sportler ist immer eine intensive, die weit über das
eigentliche Sportgeschehen hinaus geht. Es muss ein gegenseitiges
Vertrauensverhältnis aufgebaut werden. Der Tainer muss darauf vertrauen können,
dass der Sportler seine Anweisungen ohne Wenn und Aber umsetzt. Der Sportler
muss darauf vertrauen, dass die Anweisungen des Trainers immer voller
Achtsamkeit und bedachtsam erfolgen.
Der Vertrauensaufbau
zwischen Trainer und Schüler ist ein langer Lernprozeß. So hat jeder Schüler
irgendwann ein bestimmtes Bild von seinem Trainer. Er kann dann enttäuscht
sein, wenn er erkennt, dass der Trainer im Privatleben, wenn er nicht auf der
Matte steht, auch nur ein Mensch ist wie jeder andere, mit Gefühlen und
Fehlern. Ein Trainer ist Vorbild, aber kein Guru. Dies ist eine wichtige
Erkenntnis, die auch außerhalb des Sportes gilt und beim Lernen von
Eigenverantwortlichkeit weiter hilft.
Aus eigener Erfahrung weiß
ich, dass es manchmal ganz schön schwer fällt den Anweisungen eines Trainers
prompt zu folgen. Eigentlich weiß man es doch besser und will es ganz anders
machen und der da am Mattenrand hat doch kene Ahnung. Ja, dann will es Vertrauen und meine
Erfahrung lehrte mich auch, dass es unterm Strich besser ist, sich auf die
Anweisungen zu verlassen. Es tut gut und hilft auch im übrigen Leben jemanden
so tief vertrauen zu können.
9. Fazit
Gewalt
zerbricht an sich selbst.
Laotse, (6.
oder 4. - 3. Jh. v. Chr.)
Auch wenn einige der
obigen Gedanken noch nicht ganz ausgegoren und wissenschaftlich einwandfrei
belegt sind, so spricht für mich doch schon jetzt eine Menge für den Kampfsport
an den Schulen:
-
Erziehung
von Geist und Körper als Grundlage der meisten Kampfsportarten
-
Förderung
von Selbstbewußtsein und Eigenverantwortung bei den Schülern
-
Prävention
gegen Gewalt und Mißbrauch
-
Respekt
und Achtung vor dem Gegenüber
-
Körper-
und Ernährungsbewußtsein
-
Förderung
der Einzelleistung und gleichzeitg des Teamgeistes
-
Attraktivität
des Kampfsportes im Allgemeinen bei den Schülern als Motivationsgrundlage für
Verbindlichkeit und Ausdauer
-
Förderung
von Leistungswille und Leistungsbereitschaft durch die Verbindung von
Individualsport mit Mannschaftssport
-
Vertrauen
lernen zu sich und zum Trainer
Durch die Verbindung der
Förderung von körperlicher Leistung mit gleichzeitiger geistiger Erziehung
bietet der Kampfsport gerade in unserer Gesellschaft eine große Chance für die
Lösung vielerlei sozialer Probleme.
