29.3.13

„Der Film war sehr gut. Und alz der Polizist raus und alle haben gelacht!!! Und das Mädchen mit der Puppe war lustig, als das Mädchen und die Zwei Jungs haben die Puppe genomen dan haben sie die diganze zeit rumgeworfen dan kam eine Frau und sie hat den drein gesagt last das kleine Madchen in ruhe. Dan haben sie dad Kind in ruhe gelasen und das Madchen war Froh und. ende!!!“


Ich weiß ja nicht, aber ich vermute doch ganz stark, dass der fehlerhafte Umgang mit Schriftsprache langfristig etwas mit dem Gehirn anstellt, das ich nicht gut finden kann. Es geht ja nicht nur um Rechtschreibung, sondern auch um Syntax, Inhalte, Vielfalt, Abwägungen, Relationen, Differenzierungen, Flexibilität, etc., etc., ... Es beschränkt, unterm Strich, Freiheit, sagt mir mein Bauch.
Ich habe ja nix gegen Szenesprachen - mir fehlt nur die Flexibilität, die Auswahlmöglichkeit zwischen verschiedenen Sprachstilen, entsprechend dem jeweiligen Kontext, fröhlich locker kompetent hin und her springen zu können. Diese Flexibilität setzt jedoch voraus, dass ein fundiertes Grundwissen in den jeweiligen Sprachformen vorhanden ist - und das wird schlichtweg in den Schulen nicht gelehrt.
Wenn Sprache machtvoll ist wie Schwerter und Gewehre, dann, ja dann finde ich es beunruhigend wenn das eloquente Umgehen mit derselben nicht von einer Generation an die nächste weiter gegeben wird. Meinem Opa sei dank, das hab ich quasi mit seinem selbstgezogenen Spinat in mich aufgezogen: "Sie können dir alles nehmen, Kind, du kannst immer wieder alles verlieren im Leben. Das gehört dazu. Aber, dein Wissen und dein Können im Lesen und Schreiben und Sprechen, das sind Dinge, die gehören dir. Und sie sind machtvoll. Also: Lerne, lese, rede, schreibe - biste tot umfällst." Er war okay, dieser alte Mann

28.3.13


Das Irre ist ja, dass es auf die einfache Frage: Wohin gehen eigentlich konkret die ganzen Rettungsgelder? von keinem Entscheidungsträger eine ebenso klare und konkrete Antwort gibt. Also mal ehrlich, Leute, da brauch ich net Volkswirtschaft studiert zu haben um allein mit normalen Menschenverstand zu kapieren: Da stinkt es doch sowas von gewaltig nach Lug und Betrug und Verarschung.

50 Milliarden Euro in Griechenland, 70 Milliarden Euro in Irland, 40 Milliarden Euro in Spanien - ein Eurostaat nach dem anderen sieht sich gezwungen, seine Banken mit gigantischen Summen zu stützen, um damit die Verluste auszugleichen, die den Geldhäusern aus faulen Krediten entstanden sind. Aber wohin gehen die Milliarden eigentlich? Wer sind die Begünstigten? Mit dieser einfachen Frage reist der preisgekrönte Wirtschaftsjournalist und Sachbuchautor Harald Schumann quer durch Europa und bekommt verblüffende Antworten.
Die Geretteten sitzen - anders als häufig vermittelt und von vielen angenommen wird - nicht in den ärmeren Eurostaaten, sondern hauptsächlich in Deutschland und Frankreich. Ein großer Teil des Geldes landet nämlich bei den Gläubigern der Banken, die gerettet werden wollen oder müssen. Und obwohl diese Anleger offenkundig schlecht investiert haben, werden sie - entgegen aller Logik der freien Marktwirtschaft - auf Kosten der Allgemeinheit vor jeglichen Verlusten geschützt. Warum ist das so? Wer bekommt das Geld? Eigentlich simple Fragen, die aber den Kern der europäischen Identität berühren.
Harald Schumann gelingt es auf seine eigene, unnachahmliche Weise, dieses komplizierte Thema jedermann verständlich zu machen. Und er vertritt ebenso kenntnisreich wie beherzt seine Meinung. "Staatsgeheimnis Bankenrettung" ist der leidenschaftlichste Film, der je zur Bankenkrise gemacht wurde.

In der Hoffnung, dass das nicht gleich wieder gelöscht wird: http://www.youtube.com/watch?v=mAlCqbod9Qc&feature=youtu.be

26.3.13


Immer wieder treffe ich in den sozialen Netzen auf Umfragen alá "Wer will noch den Euro?" oder so leicht jammernde Aussagen wie "Mit der DM war alles besser!“... Ich weiß ja net in welchem Land ihr die letzten Jahrzehnte gelebt habt, aber, wenn ich mir so mein Leben anschaue, dann hat sich an meinem gesellschaftlichen Status nicht viel verändert, egal, ob wir DM hatten oder Euro haben. Klasse war Klasse und arm war arm und reich war reich und die Macht ging von oben nach unten und niemals anders herum.
Ich bin mir sicher, und Bauch und Gehirn sind sich da mal sehr einig, dass dieser ganze Hype um "Euro weg" ein Teil bzw. ein Ausfluss der Gehirnwäscherei durch die Berichterstattung ist: Es lenkt vom Eigentlichen ab. Lenkt den berechtigten Zorn des größten Teils der Bevölkerung in eine falsche Richtung - der vermutete und herbei geredete Feind/Schmarotzer/Ausbeuter/Schuldige sitze in anderen Ländern; die Griechen, Italiener, Spanier, etc. seien dran Schuld und verstellt den Blick auf die eigentlichen Verursacher und! Gewinner dieser ganzen Kriserei: Die vorher und auch jetzt Reichen und Mächtigen und deren Vertreter. Verhindert wird die Erkenntnis: Ändern sich die Klassen- und Machtverhältnisse in unserer Gesellschaft, dann sind Euro oder DM allereigentlich ziemlich egal.
Das ist übrigens auch das, was mich zornig macht und mich manchmal an meine Grenzen stoßen lässt in der therapeutischen Arbeit und in Gesprächen mit rosawolkentanzenden Kollegen und Kolleginnen: Manche meiner Klienten sind nicht psychisch "krank". Sie sind erschöpft, entmutigt, aufgerieben, hoffnungslos wenn sie zu mir kommen. Ihnen wurde und wird eingeredet, dass es an ihnen liegen müsse, dass sie es nicht richtig hinbekämen, sich ihr Glück und ihren Erfolg selbst fein zu schmieden. Das etwas falsch in ihnen sein müsse, dass sie halt irgendwie krank seien. Sie müssten doch nur gesunden und sich ein Ziel setzen, nur wirklich wollen und kongruent mit dem Himmel kommunizieren, dann würde sich schon alles artig und zu ihrem Wohlgefallen richten.
Sorry, das ist eine Verarsche hoch zehn und sie sitzt sooooo tief drin. Ich kann keine Arbeitsplätze schaffen, ich kann keinen bezahlbaren Wohnraum herbei zaubern, ich kann keine Bildungschancen herbei reden und ich kann Kriege und Ausbeutung nicht von jetzt auf gleich beenden. Das kann keiner alleine.
Was ich kann, ist: Ermutigen und ganz vorne anfangen mit der jeweils eigenen, aber auch der gesellschaftlichen Geschichte. Zusammenhänge entwirren und Wege aufzeigen, persönliches Glück anders zu definieren und Hilflosigkeit in kreativen Zorn zu verwandeln und etwas Altes ganz neu zu erlernen: Solidarität in einer Solidagemeinschaft.

Winterimpressionen

In der Straßenbahn unterwegs nach Irgendwohin. Die Gedanken schweifen, bleiben flüchtig berührend an den rotnäsigen Gesichtern mir gegenüber hängen. Die Luft ist mit warmer Feuchtigkeit gesättigt, die dicken Mäntel dampfen. Draußen ist alles weiß, zum ersten Mal in diesem Winter liegt eine dicke Schneeschicht über der Stadt.

Meine Aufmerksamkeit ist wattig. An der Haltestelle wuseln kleine Jungs aufgeregt mit den Händen in den Schneehügeln auf den Autos. Ranzen und Rucksäcke auf einem Haufen abseits gestapelt. Handschuhgeschützte Hände bilden kleine, dicke Bälle. Halten inne, die Jungs rennen nach vorne, den Fahrer der Bahn mit den Augen bindend:

„Herr Fahrer, lieber Herr Fahrer, dürfen wir bitte Ihre Bahn mit Schnee bewerfen? Ja? ja? ja?!!!!“

Rennen zurück und „Plopp, plopp, plopp!“ zerschellen die Bälle an den Fensterscheiben.

Die Bahn biegt um die Ecke, meine Gedanken zurück in das Lachen meiner Kindheit und ich schrecke auf. Was, um Gottes Willen, war denn das eben? Die haben nicht wirklich um Erlaubnis gefragt? Oder doch? Das glaub ich doch nicht?! Wo ist denn da der Spaß, die Freude des Überfalls? Das Kitzeln des Verbotenen und das herrliche Prickeln der schon vorausahnenden schnellen Flucht? Das Lachen, dieses tiefe aus dem Bauch kommende gemeinsame Lachen danach und das kichernde Zittern vor dem Ertapptwerden und den folgenden Konsequenzen?

Ähm, was soll das? Klopfen die nun vorher an und bitten um Erlaubnis, bevor die kleinen Hände von oben nach unten über die Türklingeln sausen? Schellenkloppen mit vorheriger consensualer Absprache?

Wo sind sie geblieben, diese harmlosen, verbotenen Spiele der Kinder, in denen Grenzen ausgetestet und Konsequenzen für Regelbrüche geschmeckt und schluckend in Kauf genommen wurden, weil es einfach Spaß machte zusammen und es sich so wunderschön abenteuerig anfühlte?

Die Nase schnupfend hoch ziehend sickert leise Traurigkeit durch mein Gemüt.

25.3.13


"Wenn die Geschichte etwas zeigt, dann dies, dass es keine bessere Methode gibt, auf Gewalt gegründete Beziehungen zu verteidigen und moralisch zu rechtfertigen, als sie in die Sprache von Schuld zu kleiden - vor allem, weil es dann sofort den Anschein hat, als sei das Opfer in Unrecht" (David Graeber).
Es gekostet mich nen Haufen Gehirnwindungen all dem Zeugs, die EU betreffend, der letzten Monate zu folgen, und vieles verstehe ich auch nicht, weil mir einfach Wissen fehlt. Aber, eines weiß ich schon: Es geht immer um Macht. Und wenn es irgendwo einen Schuldner gibt, dann gibt es auch immer einen Gläubiger, der nicht aus reiner Menschenliebe und oft, obwohl er es besser weiß, gibt, investiert und spekuliert. Es gehören immer zwei Seiten zu diesem Spiel und das Gerede von "Schuld" soll nur ablenken.
Und ich weiß, dass die armen Menschen in den betroffenen Ländern nix, aber auch gar nix von all den „rettenden“ Milliarden haben - das ist doch logisch, denn sie hatten vorher auch nix und es hat niemanden sonders interessiert, warum sollte es also jetzt.
Alles in allem erscheint mir der ganze Rummel eher wie die größte Gehirnwaschaktion der letzten Jahrzehnte, wobei die Gewaschenen auch noch freudig das Waschpulver selbst bezahlen dürfen.

Ich habe ein Bild vom Menschen, da spielen Alter, Geschlecht, Herkunft, Nationalität etc. keine Rolle. Da ist in jedem Menschen als Potential alles vorhanden, das Helle und das Dunkle, das Gute, das Böse, das Verbindende und das Einmalige - dieses Bild liegt meinem Wohlwollen und meinem Respekt jedem Menschen gegenüber zugrunde. Und dann gibt es die pauschalisierten Bilder, die oft von meinen momentanen Emotionen gezeichnet sind. Sie sind vorurteilsbeladen, unfair, gemein, wertend und die Handlungen die daraus folgen sind egoistisch und bauchgesteuert. Ich erlaube mir beide Bilder zu haben und verlange von mir nur, dass ich mir jeweils darüber bewusst bin, in welchem Bild ich mich gerade befinde. Warum? Weil meine Lebenserfahrung mich lehrte, dass mir, und den mir Anvertrauten,  das pauschalisierte Bild oft das Leben gerettet hat. Diese Erfahrungen kann und will ich nicht ignorieren.

8.3.13

Weltfrauentag

Nein, ich denke wir brauchen hier nicht mehr über Sinn oder Unsinn von solchen Gedenktagen zu sprechen. Auch nicht über die Augenwischerei von wegen Gleichheit und Gleichberechtigung und über die Situation von Frauen und Mädchen weltweit.

Allerdings, da ich zur Zeit so viel mit jungen Männern am Rande des Abgrundes arbeite, gehen mir folgende Gedankensplitter durch den Kopf:

- Die Weltgesundheitsorganisation stellt fest, das Männer einen enormen Krankheitsvorsprung gegenüber den Frauen aufweisen. So liegen Männer weit vorn bei Aids (87%), chronischen Leberschäden, Erkrankungen der Verdauungsorgane, Darmkrebs, Asthma, Emphysemen, Lungenkrebs, Gehirngefäßerkrankungen, Kreislaufleiden, Herzerkrankungen. Die Lebenserwartung von Männern liegt deutlich acht Jahre untern denen der Frauen. Zwei Drittel aller Notfallpatienten sind Männer und Männer verweilen deutlich länger im Krankenhaus als Frauen.

- Männlichkeit wird heute weithin verunglimpft, lächerlich gemacht und negativ etikettiert. Das bedeutet als Auswirkung, dass es dem einzelnen Mann immer schwerer fällt, sich an einem Bild von sich selbst zu orientieren und mit einem solchen Bild zu identifizieren.

Tatsache ist aber, dass das Fehlen eines identitätsstiftenden Männerbildes in unseren Tagen für den einzelnen Mann oft krankmachende Auswirkungen hat und für die Gesamtgesellschaft auf Dauer destabilisierend wirkt.

Worum es geht, haben schon l970 Männer im kalifornischen Berkeley gezeigt, als sie das erste Männerzentrum gründeten und in einem historischen Manifest zumindest schon Mal in Worte gefasst:


„Wir als Männer wollen unsere volle Menschlichkeit wiederhaben. Wir wollen nicht mehr länger in Anstrengung und Wettbewerb stehen, um ein unmögliches, unterdrückendes männliches Image zu erreichen - stark, schweigsam, cool, nett, gefühllos, erfolgreich, Beherrscher der Frauen, Führer der Männer, reich, brillant, athletisch und heavy. Wir möchten uns selbst gern haben. Wir möchten uns gut fühlen und unsere Sinnlichkeit, unsere Gefühle, unseren Intellekt und unseren Alltag zufrieden erleben“.

Jesses, Männer, ihr bräuchtet keinen Tag, ihr bräuchten mal ein ganzes Jahrhundert zum Innehalten, zur Besinnung und zur Neuorientierung. Und, ehrlich, langsam brennt es wirklich und ihr solltet mal in die Pötte kommen.

Es geht mir nicht darum, den "armen" Männern übers Haupt zu streicheln oder gar deren Emanzipation in weibliche Hände zu nehmen. Es geht um die banale Erkenntnis aus drei Frauenbewegungen, dass Gleichberechtigung, Gerechtigkeit zwischen und für die Geschlechter nur real möglich sein können, wenn beide Geschlechter sich bewegen und weiterentwickeln, ansonsten bleibt es insgesamt nur Stückwerk. Um darauf zu kommen müssen wir uns nicht in weite Ferne begeben, sondern uns nur hier umgucken (Stichwörter: häusliche Gewalt, Missbrauch, Alkoholismus, Lohngerechtigkeit, Verteilung in den oberen Etagen von Wirtschaft und Verbänden, etc.) und nein, es langt nicht als Gegenargument, dass es eine Frau Merkel gibt und dass auch Frauen Täter und Männer manchmal anders.

Solange Männer in Mehrheit nicht kapieren, dass sie mit dem was sie tun bzw. nicht tun sich und den nachfolgenden männlichen Generationen Schreckliches antun, solange wird sich auch für die weiblichen Wesen in dieser Gesellschaft zukünftig nichts Grundlegendes ändern.

Wie viel Energie muss man eigentlich als Mann Tag für Tag aufwenden um den eigenen Leidensdruck nicht wahrzunehmen und den der jungen Jungs nicht zu erkennen? Mensch Mann, was mit dieser Energie alles Sinnvolles anzufangen wäre!