28.8.18


„Ein Deutscher wurde brutalst ermordet!“

„Was ist denn für dich „ein Deutscher?“

„Na jemand mit deutschen Eltern und Großeltern und mehr, oder so.“

„Meine Kinder haben laut Geburtsurkunde eine deutsche Mutter und einen iranischen Vater. Das sind dann keine Deutschen?“

„Der Pass ist egal. Auf die Blutlinie kommt es an. Also aufgepasst, das sind keine wirklichen Deutschen.“

„Was sind sie denn dann?“

„Eher Ausländer. Deutsche auf alle Fälle nicht.“

„Und Ausländer sollen raus aus Deutschland. Weil sie keine Deutschen sind?“

„Ja genau. Deutschland nur den Deutschen.“

„Der junge Mann, der da ermordet wurde, hatte wohl eine deutsche Mutter und einen kubanischen Vater.“

„Willst du mich jetzt verarschen?“

„Ne, das machst du schon selbst ganz gut.“


(Man kann sich sowas einfach nicht ausdenken.)

18.8.18


Und wenn ich dann die Kommentare dazu lese (mehr Erziehung, mehr Strenge, mehr Disziplin, mehr Autorität der Eltern), bekomme ich die Krise. Meine Erfahrung ist nämlich genau eine gegenteilige: Es sind in der Regel die Kinder, die von der Geburt an nur das ständige, inkonsequente Gequengel der Eltern, das stetige „Nein! Lass das! Hör auf! Sitz still! Schlaf ein! Iss anständig! Schrei nicht rum! Lauf langsam! Sei anders!“ gehört haben, die in außerhäuslichen Situationen kein Maß zu kennen scheinen. Vielleicht auch gerade deshalb, weil sie wissen, dass sie hier ihre Eltern in die Bredouille bringen, da diese sich im Öffentlichen weniger schreiend und demütigend, oder gar gewalttätig verhalten. Da ist der öffentliche Raum auf einmal Experimentierfeld für Macht und Ohnmacht, für Provokation, für ganz neue Grenzen auszuprobieren, für Abreagieren, für Maßlosigkeit, weil die bisherigen Maße nicht stimmig waren. Gar nicht so dumm von den Kindern, sondern eine gesunde Reaktion auf all den bisherigen Unsinn. Kinder, die mit einer sicheren Bindung aufgewachsenen sind, die nach eigenem Rhythmus die Welt erkennen und lernen durften, die Menschen um sich haben, die Respekt und Rücksichtnahme, auch und vor allem auch ihnen gegenüber, vorleben, die haben in der Regel kein Problem damit, flexibel und kompetent auf unterschiedliche Umgebungen mit deren eigenen Regel zu reagieren. Im Gegenteil. Es ist dann ein wunderbares Spiel.

*Leise Anmerkung
Das ist jetzt nur eine Kurzfassung. Natürlich. Nicht aus Büchern, sondern aus jahrzehntelanger Erfahrung in der Kinder- und Elternarbeit. Wer mehr wissen möchte, fragt einfach. Oder ladet mich ein für eine Gesprächsrunde. 😊

**Laute Anmerkung
Von einer „Professorin für Psychologie und Erziehungswissenschaften würde ich mir persönlich schon ein bissl mehr Kompetenz erwarten. Interessant auch, dass gerade bei solchen Themen nicht auch Leute aus der Richtung wie Hüther, Juul, Largo oder Spitzer nachgefragt werden. Wäre bestimmt eine spannende und lehrreiche Diskussion mit der Dame.

Artikel

12.8.18


„Ich geh!“
„Okay. Wohin?“
„Weg.“
„Kommst wieder?“
„Klar.“
„Okay.“

Minimalismus in der Kommunikation.

Manchmal erfrischend.
Manchmal erschreckend.

Manchmal mit einem Rattenschwanz an Ungesagtem.
Manchmal Projektionsfläche für Vieles.

Manchmal ein Zeichen tiefster Nähe und Vertrautheit.
Manchmal ein dicker Hinweis auf unüberbrückbare Distanz.

Manchmal ist gänzliches Schweigen der nächste Schritt.
Manchmal genügen lange, wohlige Gespräche mittendrin.

*Hinweise: Was macht der obige Dialog mit dir? Welche Bilder und Assoziationen hattest du spontan?

11.8.18


"Jetzt regen sich viele auf, dass Menschen, die hier arbeiten und Steuern zahlen, Kindergeld für ihre Kinder bekommen, die im Ausland leben."

"Jesses, die armen Kinder. Ich kenne Menschen, Frauen, die hier in der Pflege und auf Putzstellen arbeiten und ihre Kinder bei Verwandten zuhause lassen müssen, weil sie gar nicht so viel verdienen um sie hier adäquat betreuen zu können. Natürlich sollen sie auch das Kindergeld erhalten. Aufregen tut mich eher, dass hier seit Jahrzehnten das Kindergeld von den Sozialleistungen abgezogen wird. Das ist eigentlich der Skandal! Von all den Steuerflüchtlingen wollen wir gar nicht erst reden."

"Was soll also die ganze Aufregung?"

"Ablenkungsmanöver. Die Leute regen sich anscheinend lieber über so einen Scheiß auf, als über die wirklichen Missstände. Warum? Weil sie dann ihren Hintern nicht bewegen und etwas verändern müssen. so kann man sich schön moralisch empören und satt und vollgefressen sich weiter in einer scheinbaren Behaglichkeit suhlen. Alles nur verlogen bis zum Anschlag."

"Na ja, vielleicht denken die auch, dass sie selbst mehr Kindergeld bekämen, wenn die anderen nicht?"

"Genau. Diese Verarsche wir unterschwellig natürlich mit transportiert. Als ob Kinder und Arme schon jemals von Überschüssen profitiert hätten. Ein völlig realitätsfernes Denken. Genau wie das, dass manche denken, dass die Gelder, die für Flüchtlinge ausgegeben werden, ihnen zukommen würden, wenn es denn keine Schutzsuchenden mehr gäbe. Ich lach mich tot."

8.8.18


Warum ich Die Linke wähle, mich an der "Aufstehen" Bewegung beteilige, Teile der Antifa unterstütze und mich in anderen Bewegungen und Initiativen gegen Rechtsradikalismus querbeet, ja auch in kirchlichen und konservativen, engagiere? Weil eine der grundlegenden Erfahrungen unserer Geschichte ist, dass das Streiten um theoretische Verschiedenheiten innerhalb demokratischer Kräfte nur einen Gewinner hatte und hat: Die Rechten. Darum bin ich jetzt sofort für ein breites und tiefes Bündnis gegen Rechtsradikale über alle Schranken hinweg.

Nicht was trennt uns, sondern was vereint uns, ist jetzt die grundlegende Frage.  

Unser kleinster gemeinsamer Nenner:  Menschenrechte, Grundgesetz, Demokratie, Gewaltenteilung, Rechtsstaatlichkeit. Darauf könnten wir uns doch einigen, oder?   

Alles andere als das, fände ich gefährlich und absolut verantwortungslos. Sowohl für jeden von uns als auch für und gegenüber den kommenden Generationen.

Konkreter: Ja, ich würde mich auch gemeinsam mit CSUlern an einer Blockade gegen einen AfD Aufmarsch beteiligen. Natürlich. Darum geht es doch. Genau darum.


Hitzegedanken

Die Angst des „Weißen“ vor dem „Farbigen“ hängt wohl auch damit zusammen, dass er sich sehr gut vorstellen kann, mit welch tiefem Hass und unkontrollierbarem Zorn er selbst auf all die unsäglichen Gräuel, die die Weißen den Farbigen angetan haben und auch heute noch antun, reagieren würde. Er hat Angst vor sich selbst, wenn er sich an die Stelle des anderen denkt. Das muss ja zu irrsinnigen Abwehrmechanismen führen.

„Weiß“ und „Schwarz“ als Metapher für Macht und Ohnmacht, für Teilhabe und Ausgeschlossensein, Herrscher und Beherrschte, Ausbeuter und Ausgebeutete, freier Mensch und unfreier Mensch, Rechteinhaber und Rechtloser, Täter Opfer … käme auch hin, oder?

Eine irrationale Auflösung der inneren Spannungen und Ängste ist unter anderem dadurch möglich, die altvorderen Rechtfertigungen unkritisch ins Hier und Jetzt zu übernehmen. Aus Opfern werden Täter gemacht durch fantasierte Schuldzuweisungen und Rechtfertigungen, die einzig und allein in der Person des Anderen liegen.

Verleugnung des Täterstatus, da man eigentlich ein Opfer der unnatürlichen, nicht menschlichen, nicht angepassten, nicht der Norm entsprechenden Eigenschaften des Anderen war und ist und den man zum Schutz einer willkürlich gesetzten natürlichen Ordnung erziehen, kontrollieren, abwehren, bestrafen, ausmerzen musste und muss.  

Es bleibt irre.   

4.8.18


Bei der Hitze habe ich ein langes, nasses Tuch tief in die Stirn um meinen Kopf geschlungen. In Österreich und Dänemark müsste ich wohl aufpassen, dass ich damit nicht auf die Straße renne.

An was mich das erinnert? Als ich im Iran lebte, trug ich im Haus keinen Tschador. Doch wenn es klingelte oder ich schnell zum Bäcker um die Ecke flitzen wollte, musste ich unbedingt daran denken das Ding über zuwerfen.

Der einzige Unterschied? In Dänemark und Österreich ist die Strafe wohl eher ein Bußgeld. Im Iran hätte ich mein Leben riskiert.

Unterm Strich jedoch kotzen mich beide Verbote an, weil sie mich als Frau betreffen. Völlig unabhängig von meiner Religion, meiner Haltung, meinem Sein.

1.8.18


Wir werden Rassismus nicht überwinden, solange wir uns nicht grundlegend mit der Entstehung von Vorurteilen und Stereotypen und dem anscheinend im Menschen angelegten latenten Hang, zum eigenen inneren und äußeren Vorteil, andere Menschen aufgrund von kultureller Herkunft, Status, Religion, Alter, Geschlecht, sexueller Neigung zu diskriminieren, auseinandersetzen.

"Welchen tieferen Beweggrund haben Menschen, sich über andere zu stellen und was erlaubt ihnen nicht, sich selbst und ihre Meinung zu hinterfragen?"

"In Kurzform*: Wenn das eigene Selbstbewusstsein in der Kindheit geschreddert wurde, braucht es sowohl ein Subjekt/Objekt, dem gegenüber es sich erhaben und wertvoller fühlen kann, als auch eine Autorität, die die Hoffnung nährt, von ihr bei Wohlverhalten geliebt und befürsorgt zu werden, um sich für jeweils kurze Momente heil und ganz zu fühlen.
Würde man dieses Konstrukt realistisch hinterfragen, würde das irreale Selbstbild in sich zusammenbrechen und da wäre erstmal nur ein Nichts bzw. das verzweifelte, überforderte, geschredderte kleine Kind. Das macht so unendlich viel Angst, eine Angst, deren sich alle Abwehrmechanismen vehement entgegenwerfen.

Aufgebrochen werden kann dies nur, wenn die Risse in dem irrealen Konstrukt zu einem bewusst realisierten Leidensdruck und dem Willen führen, sich damit nicht mehr zufrieden zu geben."

*Anmerkung
Und natürlich abgesehen von all den tausendundeins Variablen, Mustern, Begriffen, Abzweigungen, Zusammenhänge, Verwobenes, etc.