"Armut nimmt mitten im Wohlstand,
mitten im
Gesättigten unauffällig Platz."
Armut schweigt und schämt sich. Das hat mich
immer wütend gemacht. Ich habe unsere zeitweise Armut nie verschwiegen. Weder
vor den Kindern, noch im Freundeskreis, noch sonstwo. Das hat mir geholfen,
immer. Wie oft wusste ich vor dem Ende des Monats nicht, wie das Essen auf den
Tisch zu bringen sei. Da musste ich rödeln und kreativ sein. Beispielsweise an
dämlichen Marketingumfragen in der Innenstadt teilnehmen, um entweder ein bissl
Geld oder Kekse für die Kinder zu bekommen. Bücher und CDs verkaufen zu einem
Spottpreis, oder kreatives Kochen mit billig Nudeln, Tomatenmark, Sardinnen und
Tütensuppen üben. Um abgelaufene Lebensmittel bitten. Klamotten nur vom
Flohmarkt. Möbel vom Sperrmüll. Und, und, und. Alles manchmal ganz schön
nervenaufreibend. Verzweiflung? Nicht oft. Denn dafür hatte ich Zeit mit den
Kindern, tolle Zeiten. Viel Ehrenamt auch und politisches Engagement. Letzteres
denke ich, fehlt heute einfach und wäre ein wichtiger Faktor für Resilienz.
Denn ein politisches Verständnis würde zumindest einige Menschen aus der
elendigen, lähmenden "Ich-bin-schuld-Falle" führen und eingesperrte
Energien freisetzen.
Was würde darüber hinaus helfen?
Aktive, niedrigschwellige Nachbarschaftshilfen initiieren,
offene Gespräche über Armut, Enttabuisierung, Wissen und Erfahrungen teilen
bzw. weitergeben, neue und alternative Formen der Selbstorganisation kreieren,
die Menschen in ihrer Verzweiflung und Scham ernst nehmen, wahrnehmen, abholen.
Das tägliche Überlebenspotential als starke, positive Ressource ansehen und für
neue Aktivitäten fördern, Entsprechende Aus/Weiter/Fortbildung für relevante
Bezugspersonen (Pädagogen, Lehrkräfte, Sozialarbeiter, etc.) Politische
Lobbyarbeit. Und, und, und ... dafür müssten jedoch viele kluge, wertschätzende
und liebevolle Menschen endlich aus ihren Status Türmen herauskommen und sich
ernsthaft, (vor)urteilsfrei einlassen auf "die da unten". War früher
mal ein wesentlicher Aspekt aktiver politischer Arbeit an der Basis.
Könnte man doch glatt wiederbeleben.