31.8.13

Manchmal, ja manchmal steh ich nur da mit staunendem Herzen und denke: "Jesses, das ist mein Sohn!" und dann ziehen Bilder und Erinnerungen durch meinen Kopf und alles fühlt sich so rund und stimmig an. Das Innen, wie das Außen. Und es durchströmt mich eine grenzenlose Dankbarkeit.

Und dann werfen mir Leuts so Sätze hin wie "Kampfsportler. Musste das denn sein?" und ich denke daran, wie ich den kleinen Jungen auf dem Arm hatte und dachte: Kämpfen muss er können, damit er sich immer wieder im Leben frei entscheiden kann, dass er nicht kämpfen muss. ... Und genau so ist es. Er muss sich nicht streiten, kämpfen, schlagen. Muss sich gar nix mehr beweisen. Das macht ihn zu einem liebevollen und sanften Menschen Und das ist gut. Einfach nur gut.


24.8.13

Die Theorie des „Inneren Kindes“ ist mal wieder eine sehr beliebte. Sie verkauft sich ausgesprochen gut. Auch ich denke, dass das Konzept des "Inneren Kindes" ein sehr hilfreiches Konstrukt für viele psychische Fragestellung ist. Zumindest am Anfang. Nur denke ich eben auch, dass es nur ein Puzzelteil ist. Mehr nicht. Es langt meiner Erfahrung nach nicht, nur das Kind in uns anzunehmen und zu umarmen. Vielmehr fehlt danach der Schritt, dem Kind liebevoll  klar zu machen, dass es heute Dinge/Situationen/Kontexte/Problemstellungen gibt, die zu der erwachsenen Frau/dem erwachsenen Mann gehören und das diese dann mit erwachsenen Lösungspotentialen anzugehen sind. Das Kind und die kindlichen Lösungskompetenzen gehören da nicht hin. Dieser Schritt wird gerne übersehen, weil es von dem Erwachsenen Eigenverantwortung für das Hier und Jetzt verlangt. Es ist kuscheliger beim Inneren Kind zu verharren. Und auch bequemer (und finanziell lohnender) für den jeweiligen "Therapeuten". Da bekomm ich die Krätz von. 

18.8.13

„Als neulich Schnee lag und meine Nachbarskinder ihre kleinen Schlitten auf der Straße ausprobieren wollten, sogleich war ein Polizeidiener nahe, und ich sah die armen Dingerchen fliehen, so schnell sie konnten. Jetzt, wo die Frühlingssonne sie aus den Häusern lockt und sie mit Ihresgleichen vor ihren Türen gerne ein Spielchen machten, sehe ich sie immer geniert, als wären sie nicht sicher und als fürchteten sie das Herannahen irgendeines polizeilichen Machthabers. Es darf kein Bube mit der Peitsche knallen oder singen oder rufen, sogleich ist die Polizei da, es ihm zu verbieten. Es geht bei uns alles dahin, die liebe Jugend frühzeitig zahm zu machen und alle Natur, alle Originalität und alle Wildheit auszutreiben, so dass am Ende nichts übrigbleibt als der Philister.“ (Goethe)




Ich arbeite seit Jahren sehr viel mit Kindern im Vor- und Grundschulbereich, verbunden mit einer intensiven Elternarbeit. Diese kleinen Wesen sind offen, kreativ, lebendig, aufsässig, fragend, neugierig bis zum Anschlag, hoch motiviert und motivierbar.

Dann treffe ich sie in der Regel in der siebten/achten Klasse wieder (intensive Elternarbeit kann dann oft nur noch durch eine recht provozierende Einladung von mir initiiert werden). Aus den quicklebendigen Wesen sind oft "coole", desinteressierte, abgenervte, gelangweilte, desillusionierte, aggressive, unglückliche junge Menschen geworden. Was könnten mögliche Gründe dafür sein? Was ist schief gelaufen in der Zwischenzeit?

Sicherlich, die Pubertät tobt durch Körper und Gemüt. Ein sehr beliebtes Argument der Erwachsenen. Oder die neuen Medien sind Schuld dran. Die Beteiligung an Elternabenden nimmt rapide an Quantität und Lautstärke zu, wenn dieses wunderbar entlastende Argument in den Raum kullert. Ich glaube und traue all diesen und anderen so einseitig Schuld, oder besser Verantwortung, zuschreibenden Erklärungen nicht. Sie mögen ihren Anteil haben, sicher.

Aber, und dieses Aber ist ein dickes, ist es nicht vielmehr auch so, dass die fragenden, neugierigen, vertrauensvollen Kinder von damals inzwischen klug genug sind unsere Erwachsenen Spiele, unsere Inkonsequenzen, unsere Lügen, unsere gelebten und verdrängten Widersprüche zu durchschauen? Haben sie uns inzwischen nicht gemessen an den Ansprüchen und Werten, die wir ihnen vor Jahren so wunderschön abends vor dem Einschlafen über Geschichten und Märchen und in Gesprächen vermittelten? Müssen sie nicht unendlich verwirrt und enttäuscht sein, wenn sie feststellen: Wir sind nicht was wir sagen und die Welt ist es schon gar nicht.

Haben wir ihnen Handlungsmuster an die Hand gegeben, mit denen sie mit diesen Widersprüchlichkeiten umgehen zu können gelernt haben? Sind wir Vorbilder in Selbstkritik, Reflexion, Zivilcourage? Haben sie von uns, durch unser Handeln, Wohlwollen, Mitgefühl, Liebe gelernt? Haben sie außer Regeln und Pflichten auch gelernt, dass man manchmal die Konsequenzen von Regelbrüchen bewusst in Kauf nehmen muss, einfach weil es das wert ist und dass man neben Pflichten, gleichwertig, auch Rechte hat? Haben sie erfahren, dass wir da sind, wenn sie uns brauchen - ich meine real da, nicht nur am Telefon, über den Messenger oder nach Terminkalender? Haben sie erlebt, dass es unsere Aufgabe ist, uns zu kümmern und zu sorgen und zwar ohne jeden Anspruch auf Gegenleistung?

Haben wir ihnen oft genug gesagt, dass sie gewollt und geliebt sind, ohne Wenn und Abers? Lassen wir los, wenn Lossagen angesagt ist und legen wir unsere Arme zärtlich und schützend ohne zu erdrücken um sie, wenn sie straucheln?

Oh ja, ich könnte so weiter und weiter schreiben. Nein, es gibt bestimmt keine eindimensionalen Erklärungen und die Verantwortlichkeiten sind vielschichtig verteilt. Nur werde ich traurig und immer öfter wütend, wenn ich die Sprüche von der schrecklichen heutigen Jugend und all dem höre. Da ist nichts Schreckliches. Da ist nur solch eine brennende Sehnsucht, schmerzende Einsamkeit, solch eine abgrundtiefe Hoffnungs- und Hilflosigkeit und nicht mal ein Hauch von Lösungskompetenz bei so vielen.


Und nein, ich entschuldige damit gar nichts und wiegle auch nicht ab. Kriminelle Jugendliche gehören auf den heißen Stuhl und haben die Konsequenzen ihres Verhaltens zu tragen. Nur, sollten wir nicht einen klitzekleinen Augenblick innehalten und uns fragen: Wenn wir nicht rückgängig machen können, sollten wir dann nicht jetzt und sofort bei nachfolgenden Generation anders?
Im Januar 2013 werde ich, wenn alles gut geht, Oma. Mehr kann ich dazu jetzt noch nicht denken, sagen, schreiben. 



16.8.13

Hammerhart -> "Das Internationale Olympische Komitee (IOC) droht an, Sportler von den Spielen auszuschließen, die während der Winterspiele in Sotschi im Februar 2014 für die Rechte Homosexueller demonstrieren."
Ach, du bist nicht schwul, lesbisch, transsexuell oder bi? Hat mit dir also gar nix zu tun? Mensch, du darfst ja jetzt nicht mal mehr sagen, dass du nix gegen Menschen mit solchen sexuellen Orientierungen hast! Du darfst ja nicht mal mehr laut tolerieren oder gar akzeptieren! Solidarität? Ne! Menschenrechte? Ne! Darfst du nicht mal denken und sagen und tun schon gar nicht..
Aber ja doch, Olympische Spiele, klar, daran nehmen wir teil und die darfst du dir ruhig weiter angucken, keine Sorge.


Kalt. So kalt.


14.8.13

Die sagen, wir hätten ne Krise. Die sagen, Sie wäre vorbei. Die sagen, wir haben ne Rezession. Die sagen, die Rezession ist vorbei. Die sagen, es geht uns schlecht. Die sagen, es geht uns gut. Die sagen, wir müssen sparen. Die sagen, wir müssen dies und das kaufen oder bauen. Die sagen, die Löhne dürfen nicht steigen. Die sagen, die Gewinne und Einnahmen steigen wie noch nie. Die sagen, die sagen, die sagen ... Manchmal widersprechen sich die Meldungen täglich, manchmal stündlich und manchmal kommen die direkt hinter einander. ... Eigentlich ist es mir scheißegal, was die sagen. Ich guck mir meine Lebensituation an, mein Umfeld, meine Familie und meine Freunde. Und dann sage ich, ob es mir gut geht oder nicht. Mir vertraue ich nämlich.

8.8.13

„Schreib doch mal was Positives! Berichte doch mal über das, was klappt, was gut und schön ist! Oder darüber, wie es sein könnte. Erzähl doch mal von dem, für das sich all der Aufwand, der Verzicht, die Qual, das Sterben und das Leben lohnen!“

Stimmt. Es brennt und schmerzt, verseucht und tötet an allen Ecken der Welt und in unserer Gesellschaft. Bei der täglichen Medienschau ist es kaum möglich mal eine erfreuliche Meldung zu finden. Ist wie die Suche nach der Stecknadel im Heuhaufen.

Das macht was. Mit den Menschen und mit mir. Doch bevor ich im Zorn verglühe, in Traurigkeit ertrinke, der Schmerz der Welt mich in den Wahnsinn treibt oder die Hoffnungslosigkeit mich gänzlich lähmt und ich im Zynismus taumelnd schwelge,  hilft mir immer eines: Ich dreh das Fernglas um und schau auf das Kleine, das dann auf einmal groß und mir ganz nah ist. Da sehe ich Nachbarschaftshilfe, praktische Solidarität, aktive Anteilnahme; sehe wie man zurück steckt, damit es dem Anderen ein klitzekleinwenig besser geht. Da ist so viel Mut und Stärke, soviel gemeinsamer Überlebenswille und Überlebensfähigkeit. Davon zu erzählen und zu berichten ermutigt und stärkt.

Da findet sich, unter all dem Lebenskampf und der trotzigen Lebensfreude, diese Sehnsucht nach einer besseren Welt. Da sind Träume und Ziele, Utopien und ganz konkrete Vorstellungen, von dem, wie es sein sollte und könnte. Dieses in Worte zu fassen, in Bildern zu malen, in Tönen einen Ausdruck zu geben – das macht es leichter. Für! etwas sein, dem Dafür eine Gestalt geben, auch und gerade in den kleinen Dingen, so dass es wächst und gedeiht in den Köpfen und Herzen der Menschen, so sehr, dass man bereit ist, für das Dafür gemeinsam zu kämpfen. Das ist eine feine Haltung und sie ist ansteckend.


Doch sie ist nicht nur ansteckend, sondern genau in dem „Dafür“ trennt sich die Spreu vom Weizen. Gerade in diesen Zeiten treffe ich beim „Dagegen“ immer wieder und immer öfter auf Menschen, mit denen ich im Dagegen sehr wohl einer Meinung bin, in dem Dafür jedoch entsetzt zurück schrecke. Rattenfänger sind unterwegs. Das hat mich in letzter Zeit sehr verwirrt und irritiert. Erst als ich den Blick wieder für das Dafür schärfte, bekam ich mich selbst wieder klar und weiß, wo ich mich wie laut und deutlich abzugrenzen habe.  



1.8.13


„Verdächtig war, dass nichts verdächtig war.“

Viele Menschen in meinem Umfeld denken sich: „Was hat NSA, Prism, XKeyscore mit mir zu tun? Nix, oder? Ich bin kein Terrorist, kein Mafiaboss, kein Krimineller. Klar, ich hab eigene Meinungen, Ideen, krude Ansichten ob dies und das vielleicht – aber ansonsten geh ich Brötchen holen, lese Krimis, gehe meiner Erwerbsarbeit nach, habe ab und an Beziehungsstress, mähe den Rasen und feg den Bürgersteig. Bin also ein völlig normaler Durchschnittsbürger. Warum sollte sich irgendjemand für mich interessieren?“

Ja, warum bloß ...   Puzzelteile zum Einstieg ->




Ja, ich persönlich empfinde dieses Thema von der Materie her genauso schwierig zu verstehen wie die ganze EU-Banken-Rettungsgeschichte. Es überfordert mich. Und doch habe ich das Gefühl, dass ich es nicht einfach beiseitelegen kann. Weil es mich betrifft, direkt und unmittelbar. Es verändert meine Welt und die Welt meiner Kinder und Kindeskinder. Ich möchte es zumindest in Ansätzen verstehen und weiter geben können. Ein „Ich habe von nix gewusst.“ geht einfach nicht mehr. Also tue ich mein Bestes und schmeiß die Gehirnwindungen an und arbeite mich ein. Damit ich zumindest die richtigen Fragen stellen kann.