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Großvater - der Patriarch |
Vater? Nicht da. Mutter lebte bei den Eltern, arbeitete in einer
Fabrik in der Hanauer Landstraße, dort lernte sie meinen Vater kennen.
Werkspion für die DDR. Zeugte mich und ging vor meiner Geburt in den Knast. Durfte
mich nach drei Jahren Haft nur einmal kurz auf den Wiesen des Lohrberges sehen,
da mein Großvater sich dazwischen schmiss und Zukunft für drei diktatorisch
organisierte. Offizielle Version bis zur Volljährigkeit: Entweder ich war ne
jungfräuliche Zeugung oder mein Vater sei tot. Graue Projektionsfläche vieler
meiner verzweifelnden Kleinmädchenträume.
Mit 18 vom Jugendamt mitgeteilt bekommen, dass es meinen
Vater lebend gibt und er seit meiner Geburt regelmäßig bezahlt. Ihn in der DDR
besucht und festgestellt, ich habe dort noch sechs Halbgeschwister und
Großeltern. Nach drei Monaten Aufenthalt beschlossen, dass der reale Sozialismus
nicht mein Ding und einmaliges Ficken meiner Eltern für tragend liebende
Blutsbande irgendwie nicht ausreicht.
Außer meinem Großvater, den ich ab sechs durch Krankheit und
Tod meiner Oma verlassen musste, gab es keine weiteren männlichen
Bezugspersonen in meinem Leben. Er dominiert bis heute in einer verquerten Weise
mein Männerbild. Ansonsten nur: Starke Weiber, die Alltag organisierten und Überleben
garantierten und schemenhaft dazugehörige Ehemänner, die in meiner Erinnerung nicht
mal Gesichter oder eigene Stimmen haben.
Die tiefe Sehnsucht nach einem liebevoll fürsorglich fest haltenden
und los lassenden Vater bestimmt bis heute prägend mein Innenleben und meine
Beziehungsunfähigkeiten. Da ist viel Zorn in dieser Sehnsucht mit eingewoben,
der Grundlage für einen meiner fest gemauerten Glaubenssätze ist: Jedes Kind
hat ein Recht auf beide Elternteile, egal wie beschissen die Beziehung zwischen
den beiden auch sein mag. Sie haben gefälligst eine dem Kindeswohl
entsprechende Form des Umganges miteinander zu finden. Ein Verpissen aus Bequemlichkeit
oder sonstigen, vorgeschobenen Gründen kann ich immer noch nicht akzeptieren
und mit Geld/Unterhaltszahlungen ist es da auch nicht getan.
Vielleicht tue ich mich deshalb auch schon immer so schwer
mit dem analytischen Fokus auf die Mutter-Kind-Beziehung. Nehmt endlich die
Väter ins Visier. Die anwesenden und vor allem die nicht anwesenden spielen
eine wesentliche Rolle im Seelendschungel der nachfolgenden Generation.
Ich verzeihe dem Vater und dem Großvater mittlerweile –
vergeben fällt mir da noch schwerer.