3.3.12

Großvater - der Patriarch

Vater? Nicht da. Mutter lebte bei den Eltern, arbeitete in einer Fabrik in der Hanauer Landstraße, dort lernte sie meinen Vater kennen. Werkspion für die DDR. Zeugte mich und ging vor meiner Geburt in den Knast. Durfte mich nach drei Jahren Haft nur einmal kurz auf den Wiesen des Lohrberges sehen, da mein Großvater sich dazwischen schmiss und Zukunft für drei diktatorisch organisierte. Offizielle Version bis zur Volljährigkeit: Entweder ich war ne jungfräuliche Zeugung oder mein Vater sei tot. Graue Projektionsfläche vieler meiner verzweifelnden Kleinmädchenträume.
Mit 18 vom Jugendamt mitgeteilt bekommen, dass es meinen Vater lebend gibt und er seit meiner Geburt regelmäßig bezahlt. Ihn in der DDR besucht und festgestellt, ich habe dort noch sechs Halbgeschwister und Großeltern. Nach drei Monaten Aufenthalt beschlossen, dass der reale Sozialismus nicht mein Ding und einmaliges Ficken meiner Eltern für tragend liebende Blutsbande irgendwie nicht ausreicht.
Außer meinem Großvater, den ich ab sechs durch Krankheit und Tod meiner Oma verlassen musste, gab es keine weiteren männlichen Bezugspersonen in meinem Leben. Er dominiert bis heute in einer verquerten Weise mein Männerbild. Ansonsten nur: Starke Weiber, die Alltag organisierten und Überleben garantierten und schemenhaft dazugehörige Ehemänner, die in meiner Erinnerung nicht mal Gesichter oder eigene Stimmen haben.
Die tiefe Sehnsucht nach einem liebevoll fürsorglich fest haltenden und los lassenden Vater bestimmt bis heute prägend mein Innenleben und meine Beziehungsunfähigkeiten. Da ist viel Zorn in dieser Sehnsucht mit eingewoben, der Grundlage für einen meiner fest gemauerten Glaubenssätze ist: Jedes Kind hat ein Recht auf beide Elternteile, egal wie beschissen die Beziehung zwischen den beiden auch sein mag. Sie haben gefälligst eine dem Kindeswohl entsprechende Form des Umganges miteinander zu finden. Ein Verpissen aus Bequemlichkeit oder sonstigen, vorgeschobenen Gründen kann ich immer noch nicht akzeptieren und mit Geld/Unterhaltszahlungen ist es da auch nicht getan.
Vielleicht tue ich mich deshalb auch schon immer so schwer mit dem analytischen Fokus auf die Mutter-Kind-Beziehung. Nehmt endlich die Väter ins Visier. Die anwesenden und vor allem die nicht anwesenden spielen eine wesentliche Rolle im Seelendschungel der nachfolgenden Generation.
Ich verzeihe dem Vater und dem Großvater mittlerweile – vergeben fällt mir da noch schwerer.

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