Jetzt geht mir die Zuordnung "naiv" (weil ich
doch tatsächlich annahm, die Staatsmänner und Frauen hätten unbedarft mit allen
zusammen in Paris demonstriert) nicht aus dem Kopp. Ich denke gerade, naiv ist
das falsche Adjektiv. "Kindlich" trifft es besser. Jedes Mal aufs
Neue überrascht werden, jedes Mal aufs Neue von Gefühlen überrollt zu werden. Jedes
Mal aufs Neue, entgegen aller Erfahrungswerte, wie beim ersten Mal mit großen
Augen staunen, dass die Welt so ganz anders ist, als ich angenommen hatte. ...
... Und ja, ich heule immer noch bei "Heidi", beim "Doppelten
Lottchen" und bei jedem Bericht aus Kriegsgebieten oder aus Folterzentren
oder, wenn ich sehe, wie Paare sich über Jahrzehnte zerfleischen oder der
einzelne Mensch mit aller Kraft gegen die Mühen des (Über)Lebens ankämpft oder
versucht, gegen alle Widrigkeiten seine innere Balance zu finden ... und, und,
und. Da klärt sich nix ab irgendwie, da wird nix kalt und abwinkend. Da fehlt
mir wohl das richtige Gen dazu. ... Ich bin kindlich. ...Und irgendwie will ich
das auch nicht ändern.
Denn, da ist ja auch die andere Seite: Das Kichern und Glucksen
und Lachen über Dinge, für die sich andere nicht mal ein beiläufiges
Mundverziehen abringen könnten. und da ist die Liebe zu den Menschen und zu mir
... und da ist immer noch Schönheit in allem Hässlichen und, und, und … Und ich
denke, das eine gibt es eben nicht ohne das andere...
Ein Vorzug des Altwerdens ist es, dass ich dem Kindlichen
in mir auch im Äußeren viel mehr Raum geben kann. Regt sich keiner mehr drüber
auf, weil es ja so toll in die eigenen und gesellschaftlichen
Vorurteilsschubladen passt. Die "Weise Alte" wird wieder zum Kind und
erscheint gerade deshalb weise. Der Kreis schließt sich und Alt und Jung tanzen
Hopsasa in der Seele.
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