2.10.12


„Frau Müller, warum wollen Sie in Ihrem Alter und mit Ihrer beruflichen Reputation noch einmal in einer Krabbelstube arbeiten?“
„Genau aus diesen Gründen. Beides, mein Alter und meine beruflichen Erfahrungen erlauben es mir, mich völlig ungezwungen im Jetzt zu bewegen. Ich muss mir und anderen nichts mehr beweisen, ich stehe nicht in Konkurrenz um irgendwelche Pöstchen mit meinen Mitarbeiter (innen), ich muss diesen Job nicht machen, weder aus finanziellen, noch aus anderen Gründen. Ich will es einfach nur. Sehen Sie, ich habe jetzt quasi eine Generation von klein auf bis ins junge Erwachsenenalter begleitet. Vieles von dem, was ich vor zwanzig, dreißig Jahren nur aufgrund von Überlegungen und Überzeugungen in der außerhäuslichen Kinderbetreuung vertreten habe, kann ich heute durch langjährige reale Erfahrungen relativieren oder untermauern. Mein Alter verschafft mir zudem einen besonderen Status: Man hört mir zu. Ich stehe nicht im Wettkampf mit jungen Müttern und Vätern um die besseren Erziehungsmethoden oder Ähnlichem. Besonders die Väter nehmen mich ernster als damals als junges Ding. Und da ist über all die Jahrzehnte so ein tiefes Wohlwollen in mir gewachsen. Davon möchte und kann ich weitergeben und zwar genau da, wo es dringend gebraucht wird.
„Aber warum gerade den Krabbelstubenbereich?“
„Hier fängt alles an. Die ersten drei Lebensjahre sind so grundlegend ausschlaggebend. Die Basis für alles danach. Als Therapeutin gehe ich immer wieder mit meinen Klienten in diese Zeit zurück. Jetzt werde ich für einige Zeit noch einmal ganz real und konkret jeden Tag mit diesen kleinen Menschen zusammen leben. Auch dies wird wieder manches in meiner Arbeit mit den Erwachsenen relativieren und deutlicher werden lassen. Eine wunderbare Situation, von der so viele Anteile in mir profitieren werden. Es macht mich glücklich und das ist doch eine der besten Voraussetzungen für eine sinn- und liebevolle Arbeit mit Kindern und Eltern in diesen Zeiten, oder?“
"Werden Sie weiterhin als Therapeutin arbeiten und auch Texte schreiben?"
"Aber sicher doch, das eine schließt das andere doch nicht aus. Im Gegenteil."

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