„Frau Müller, warum wollen Sie in Ihrem Alter und mit Ihrer
beruflichen Reputation noch einmal in einer Krabbelstube arbeiten?“
„Genau aus diesen Gründen. Beides, mein Alter und meine
beruflichen Erfahrungen erlauben es mir, mich völlig ungezwungen im Jetzt zu
bewegen. Ich muss mir und anderen nichts mehr beweisen, ich stehe nicht in Konkurrenz
um irgendwelche Pöstchen mit meinen Mitarbeiter (innen), ich muss diesen Job
nicht machen, weder aus finanziellen, noch aus anderen Gründen. Ich will es einfach
nur. Sehen Sie, ich habe jetzt quasi eine Generation von klein auf bis ins
junge Erwachsenenalter begleitet. Vieles von dem, was ich vor zwanzig, dreißig Jahren
nur aufgrund von Überlegungen und Überzeugungen in der außerhäuslichen
Kinderbetreuung vertreten habe, kann ich heute durch langjährige reale Erfahrungen
relativieren oder untermauern. Mein Alter verschafft mir zudem einen besonderen
Status: Man hört mir zu. Ich stehe nicht im Wettkampf mit jungen Müttern und
Vätern um die besseren Erziehungsmethoden oder Ähnlichem. Besonders die Väter
nehmen mich ernster als damals als junges Ding. Und da ist über all die
Jahrzehnte so ein tiefes Wohlwollen in mir gewachsen. Davon möchte und kann ich
weitergeben und zwar genau da, wo es dringend gebraucht wird.
„Aber warum gerade den Krabbelstubenbereich?“
„Hier fängt alles an. Die ersten drei Lebensjahre sind so
grundlegend ausschlaggebend. Die Basis für alles danach. Als Therapeutin gehe
ich immer wieder mit meinen Klienten in diese Zeit zurück. Jetzt werde ich für
einige Zeit noch einmal ganz real und konkret jeden Tag mit diesen kleinen
Menschen zusammen leben. Auch dies wird wieder manches in meiner Arbeit mit den
Erwachsenen relativieren und deutlicher werden lassen. Eine wunderbare
Situation, von der so viele Anteile in mir profitieren werden. Es macht mich
glücklich und das ist doch eine der besten Voraussetzungen für eine sinn- und
liebevolle Arbeit mit Kindern und Eltern in diesen Zeiten, oder?“
"Werden Sie weiterhin als Therapeutin arbeiten und auch Texte schreiben?"
"Aber sicher doch, das eine schließt das andere doch nicht aus. Im Gegenteil."
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