30.9.16

„Ich will keine Bilder von toten und verwundeten Kindern mehr sehen. Die Maßlosigkeit dieser Bilder überfordert mich.“

Ach?! Der Herr Augstein möchte keine Bilder mehr von getöteten, zerfetzten, zerbombten, elendig verreckten Kindern aus Syrien mehr sehen? Weil sie einem die eigene Hilf- und Machtlosigkeiten um die Ohren hauen würden. Oh, was für ein Argument aus einer zutiefst übersättigten und fett saturierten Position heraus. Er spricht gar von Missbrauch der Kinder durch die vermutete Instrumentalisierung der Kinderfotos durch die Medien. Und vom Missbrauch seiner eigenen Gefühle beim Anschauen dieser Bilder. Herr  Augstein, es gibt viele Texte und Beiträge von Ihnen, die ich gerne zitiere, aber hier kann ich Ihnen nicht folgen. Ich bekomm Schnappatmung beim Lesen dieses Textes. Ich halte es Ihrer unbestreitbar vorhandenen Überforderung oder einer Magenverstimmung zugute, weil ich wohlwollend bin, dass Sie so einen, man könnte fast schon sagen bösartigen, Unsinn verbreiten.

Ja, diese Bilder graben sich tief in die eigene Seele hinein und ja, die anscheinende eigene Machtlosigkeit drückt einem die Luft ab. Aber! und dieses Aber ist ein wohlbedachtes: Das Unsägliche verschwindet nicht, indem man es nicht ansieht. Und machtlos ist niemand. Bequem, faul, träge, verängstigt, schuldhaft verstrickt, erbärmlich, traurig, hilflos, hilflos wütend, erstarrt vor Schrecken… ja, so und noch ganz anderskann man sich fühlen. Aber, diese Gefühle sagen doch mehr über einen selbst, denn über die eigenen realen Handlungsmöglichkeiten aus. Sie zum Beispiel könnten Ihre mediale „Macht“ dazu nutzen den berechtigten Zorn, der sich aus tiefem Mitgefühl gebiert, an die richtigen Adressaten zu lenken. Sie könnten den Menschen Wege aus ihrer vermuteten Hilflosigkeit aufzeigen,  indem Sie endlich mal von Ihrem Thron des Kommentators in, auch sprachlich, abgehobenen Denkräumen herunterstiegen und Bilder kreierten, die den Menschen praktische Handreichungen und nicht nur Knoten im Gehirn anbieten würden.

Bilder, ja, Bilder schaffen Mitgefühl und Aufbegehren, wenn die Sprache nicht mehr herankommt, weil sie sich dem Unsagbaren versagt oder weil die sprachlich erreichbaren Gehirnzellen geschreddert oder verkümmert sind. Und, ich höre, anscheinend im Gegensatz zu Ihnen,  immer noch und immer wieder die verzweifelten Schreie von Menschen über viele Zeiten und kulturelle Grenzen hinweg: Seht Ihr uns nicht?! Könnt Ihr uns nicht sehen? Schaut uns endlich an, in unserem Sterben und in unserem Leid!

Solange wir als Menschen dem Menschen zumuten so zu verrecken, halte ich es für zumindest ebenso zumutbar, sich die Ergebnisse dieser Zumutungen zuzumuten.
Vielleicht kommt nach dem Kotzen endlich der Zorn.

*Anmerkung
„Missbrauch“ durch fotografische Darstellung des Unsäglichen? Sie, Herr Augstein wissen anscheinend nicht was „Missbrauch“ real bedeutet. Schauen Sie sich die Bilder an und noch viel mehr. Dann bekommen Sie vielleicht eine Ahnung über die wirklichen Dimensionen dieses Begriffes

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