26.7.19

Politikverständnis


„Sie haben aber auch nicht viele politisch organisierte Leute auf ihrer Freundesliste, Frau Müller. So wird das nichts mit Ihren Netzwerken.“

„Sie irren sich. Alle meine Bekannten sind in irgendeiner Art und Weise höchst politisch unterwegs. Die eine rettet Tauben, der andere Kinder. Die eine pflegt ihre Mutter, der andere kauft für die Nachbarin wöchentlich mit ein. Der eine organisiert Kinderfeste, die andere begleitet Menschen aufs Amt. Die eine hat immer ein offenes Ohr, der andere hilft dem kranken Bauer die Ernte einzubringen. Die eine bietet Busfahrten in die Stadt an, der andere zu Demos gegen rechts. Der eine ist bei der freiwilligen Feuerwehr, die andere macht täglich Krankenbesuche. Der eine holt die Kinder der kranken Nachbarin vom Kindergarten ab, die andere hängt Obst an den Gartenzaun … . Könnte ich als so weiter machen.“

„Ein sehr altmodisches Bild von politischer Arbeit, Frau Müller!“

„Alt? Nein, das ist die Basis von allem Guten in meiner Welt. Ohne diese Menschen gäbe es nichts, für dass es sich lohnen würde zu kämpfen und zu streiten. Sie sind der Boden und die Wurzeln jedweder organisierten politischer Arbeit. Berufspolitiker wie Sie vergessen das oft und immer öfter, oder hatten gar nie einen wirklichen Zugang dazu. Darum wird das auch nichts mit Ihrer Partei.“

„Wir haben sehr viel erreicht in den letzten Jahren!“

„Ja klar. Gesichertes Einkommen vom Feinsten, neues Auto, dreimal Urlaub im Jahr. Und die Frau Gemahlin trägt nur noch Designerklamotten. Oh, ich denke, Ihr Haus ist jetzt auch bald abgezahlt, oder?“

„Jetzt werden Sie aber persönlich, Frau Müller!“

„Politik ist immer persönlich. Immer!“

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