Unsortierte, spontane Gedanken über die Vorfälle in einer Kita
in Mainz (erhebliche Grenzüberschreitungen von 3-6 jährigen Kindern gegen
Kinder), bei denen ich das Gefühl habe, von außen, mit nur bruchstückhaften
Informationen, mir gar kein konkretes Bild machen bzw. Meinung bilden kann:
- - Wir schauen mit unseren Erwachsenenaugen auf die
Vorfälle und benennen sie mit unseren Erwachsenenbegriffen, die getränkt sind
mit unseren jeweilig eigenen Bildern, Normen und Werten.
-
Kinder haben diesen Blick und diese Sprache
nicht. Sie lernen diese erst im Laufe ihrer Sozialisation.
-
Kinder entdecken die Welt, ihren Körper, ihre
Gefühle. Dazu gehören auch das Verhältnis von Macht und Ohnmacht, von positiven
versus negativen Gefühlen, von Grenzen und Grenzsetzungen, von Zustimmung und
Ablehnung, von Ja und Nein, von erwünscht und nicht erwünscht, von angemessen
und unangemessen, von Ursache und Wirkung, und, und, und.
- - Erwachsene begleiten diese Lernprozesse
aufmerksam und achtsam. Sie sind Vorbilder und Regelmacher/Regelerklärer, sie
fördern, ermutigen und sie verbieten, sie benennen und stellen Zusammenhänge
her. Sie haben den Überblick, den Kinder noch nicht haben können, sondern erst,
durch Lernen und Erfahrungen machen, entwickeln werden.
- - Eines der für mich wichtigsten Lernziele in
Krabbel- und Kindergartengruppen: Das ist mein Körper und niemand! durchbricht die
Schranke zu meinem Körper, wenn ich das nicht will. Dieses Lernziel kann nicht
nebenbei erreicht werden, sondern verlangt durchgängige Aufmerksamkeit den einzelnen
Kindern und der Kindergruppe gegenüber. Es geht um das tausendfache tägliche Wiederholen
von „Hast du ihn gefragt, ob er das
will?“, „Willst du das?“, „Sage laut und deutlich Nein, wenn du das nicht
willst“, „Hast du das Nein gehört?“, und, und, und. Und es geht um das Vorleben
des Respekts gegenüber dieser Grenze: „Darf ich dich wickeln?“, „Möchtest du
auf meinen Arm?“… … Es ist ein feiner, zeitaufwendiger Prozess, der permanent
überprüft und reflektiert werden muss. Dafür gibt es Supervision und
Teamgespräche. Zentrale Fragen: Was lernt das Kind in dieser konkreten
Situation durch dieses und jenes Verhalten meinerseits? Was sind die unterschwelligen
Lerninhalte, die mir vielleicht gar nicht bewusst sind?
- - Kinderbegleitung ist kein Spaziergang. Die
äußeren und inneren Rahmenbedingungen müssen stimmen. Zentral: Betreuerschlüssel
und Ausbildung/Weiterbildung, Zeitkontingente für die kritisch reflektierende Arbeit
an sich und im Team, intensive kompetente Elternarbeit. (Meine Erfahrung in der
Praxis: Wir sind davon weiter entfernt denn je.)
- - In Bezug auf die Eltern: Verändert sich die
Haltung/das Verhalten meines Kindes? Kann ich sinnig nachvollziehen warum und
weshalb? Hat mein Kind körperliche Schädigungen/Auffälligkeiten? Und, und … Fordere
ich bei Zweifeln und bei Verdacht, dass irgendwas nicht stimmt, eine sofortige
und umfassende Klärung? Bringe ich mein Kind da morgen wieder hin, solange
nichts geklärt ist? Mache ich mich stark für mein Kind, auch wenn dies unbequem
ist und vielleicht materiell negative Folgen für mich hat?
Grenzüberschreitungen passieren.
Auch zwischen Kindern. Was ich nicht nachvollziehen kann, weder auf der Seite
der Bezugspersonen, noch auf der Elternseite, noch auf der Trägerseite, ist der
anscheinend so lange Zeitraum, in dem dies in Mainz einfach unbegleitet weiter
gelaufen ist. Das ist schief, absolut schief bis in die Wurzeln. Allerdings
bräuchte es viel mehr Informationen und konkrete Einblicke, um zu verstehen,
wie das passieren konnte. Moraline Empörung ist wenig hilfreich.