16.6.15

Unsortierte, spontane Gedanken über die Vorfälle in einer Kita in Mainz (erhebliche Grenzüberschreitungen von 3-6 jährigen Kindern gegen Kinder), bei denen ich das Gefühl habe, von außen, mit nur bruchstückhaften Informationen, mir gar kein konkretes Bild machen bzw. Meinung bilden kann:

-        - Wir schauen mit unseren Erwachsenenaugen auf die Vorfälle und benennen sie mit unseren Erwachsenenbegriffen, die getränkt sind mit unseren jeweilig eigenen Bildern, Normen und Werten.

-        Kinder haben diesen Blick und diese Sprache nicht. Sie lernen diese erst im Laufe ihrer Sozialisation.

-        Kinder entdecken die Welt, ihren Körper, ihre Gefühle. Dazu gehören auch das Verhältnis von Macht und Ohnmacht, von positiven versus negativen Gefühlen, von Grenzen und Grenzsetzungen, von Zustimmung und Ablehnung, von Ja und Nein, von erwünscht und nicht erwünscht, von angemessen und unangemessen, von Ursache und Wirkung, und, und, und.

-        - Erwachsene begleiten diese Lernprozesse aufmerksam und achtsam. Sie sind Vorbilder und Regelmacher/Regelerklärer, sie fördern, ermutigen und sie verbieten, sie benennen und stellen Zusammenhänge her. Sie haben den Überblick, den Kinder noch nicht haben können, sondern erst, durch Lernen und Erfahrungen machen, entwickeln werden.

-        - Eines der für mich wichtigsten Lernziele in Krabbel- und Kindergartengruppen: Das ist mein Körper und niemand! durchbricht die Schranke zu meinem Körper, wenn ich das nicht will. Dieses Lernziel kann nicht nebenbei erreicht werden, sondern verlangt durchgängige Aufmerksamkeit den einzelnen Kindern und der Kindergruppe gegenüber. Es geht um das tausendfache tägliche Wiederholen von  „Hast du ihn gefragt, ob er das will?“, „Willst du das?“, „Sage laut und deutlich Nein, wenn du das nicht willst“, „Hast du das Nein gehört?“, und, und, und. Und es geht um das Vorleben des Respekts gegenüber dieser Grenze: „Darf ich dich wickeln?“, „Möchtest du auf meinen Arm?“… … Es ist ein feiner, zeitaufwendiger Prozess, der permanent überprüft und reflektiert werden muss. Dafür gibt es Supervision und Teamgespräche. Zentrale Fragen: Was lernt das Kind in dieser konkreten Situation durch dieses und jenes Verhalten meinerseits? Was sind die unterschwelligen Lerninhalte, die mir vielleicht gar nicht bewusst sind?

-        - Kinderbegleitung ist kein Spaziergang. Die äußeren und inneren Rahmenbedingungen müssen stimmen. Zentral: Betreuerschlüssel und Ausbildung/Weiterbildung, Zeitkontingente für die kritisch reflektierende Arbeit an sich und im Team, intensive kompetente Elternarbeit. (Meine Erfahrung in der Praxis: Wir sind davon weiter entfernt denn je.)

-        - In Bezug auf die Eltern: Verändert sich die Haltung/das Verhalten meines Kindes? Kann ich sinnig nachvollziehen warum und weshalb? Hat mein Kind körperliche Schädigungen/Auffälligkeiten? Und, und … Fordere ich bei Zweifeln und bei Verdacht, dass irgendwas nicht stimmt, eine sofortige und umfassende Klärung? Bringe ich mein Kind da morgen wieder hin, solange nichts geklärt ist? Mache ich mich stark für mein Kind, auch wenn dies unbequem ist und vielleicht materiell negative Folgen für mich hat?

      Grenzüberschreitungen passieren. Auch zwischen Kindern. Was ich nicht nachvollziehen kann, weder auf der Seite der Bezugspersonen, noch auf der Elternseite, noch auf der Trägerseite, ist der anscheinend so lange Zeitraum, in dem dies in Mainz einfach unbegleitet weiter gelaufen ist. Das ist schief, absolut schief bis in die Wurzeln. Allerdings bräuchte es viel mehr Informationen und konkrete Einblicke, um zu verstehen, wie das passieren konnte. Moraline Empörung ist wenig hilfreich. 

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