8.3.17

Weltfrauentag

Nein, ich denke wir brauchen hier nicht mehr über Sinn oder Unsinn von solchen Gedenktagen zu sprechen. Auch nicht über die Augenwischerei von wegen Gleichheit und Gleichberechtigung und über die Situation von Frauen und Mädchen weltweit.

Allerdings, da ich mit jungen Männern am Rande des Abgrundes arbeitete, gehen mir folgende Gedankensplitter durch den Kopf:

Tatsache ist, dass das Fehlen eines identitätsstiftenden Männerbildes in unseren Tagen für den einzelnen Mann oft krankmachende Auswirkungen hat und für die Gesamtgesellschaft auf Dauer destabilisierend wirkt.

Die Weltgesundheitsorganisation stellt fest, dass Männer einen enormen Krankheitsvorsprung gegenüber den Frauen aufweisen. So liegen Männer weit vorn bei Aids, chronischen Leberschäden, Erkrankungen der Verdauungsorgane, Darmkrebs, Asthma, Emphysemen, Lungenkrebs, Gehirngefäßerkrankungen, Kreislaufleiden, Herzerkrankungen. Die Lebenserwartung von Männern liegt deutlich untern denen der Frauen. Zwei Drittel aller Notfallpatienten sind Männer und Männer verweilen deutlich länger im Krankenhaus als Frauen.

Männlichkeit wird heute weithin verunglimpft, lächerlich gemacht und negativ etikettiert. Das bedeutet als Auswirkung, dass es dem einzelnen Mann immer schwerer fällt, sich an einem Bild von sich selbst zu orientieren und mit einem solchen Bild zu identifizieren.

Worum es geht, haben schon 1970 Männer im kalifornischen Berkeley gezeigt, als sie das erste Männerzentrum gründeten und in einem historischen Manifest zumindest schon Mal in Worte gefasst:

„Wir als Männer wollen unsere volle Menschlichkeit wiederhaben. Wir wollen nicht mehr länger in Anstrengung und Wettbewerb stehen, um ein unmögliches, unterdrückendes männliches Image zu erreichen - stark, schweigsam, cool, nett, gefühllos, erfolgreich, Beherrscher der Frauen, Führer der Männer, reich, brillant, athletisch und heavy. Wir möchten uns selbst gernhaben. Wir möchten uns gut fühlen und unsere Sinnlichkeit, unsere Gefühle, unseren Intellekt und unseren Alltag zufrieden erleben“.

Jesses, Männer, ihr bräuchtet keinen Tag, ihr bräuchten mal ein ganzes Jahrhundert zum Innehalten, zur Besinnung und zur Neuorientierung. Und, ehrlich, langsam brennt es wirklich und ihr solltet mal in die Pötte kommen.

Es geht mir nicht darum, den "armen" Männern übers Haupt zu streicheln oder gar deren Emanzipation in weibliche Hände zu nehmen. Es geht um die banale Erkenntnis aus drei Frauenbewegungen, dass Gleichberechtigung, Gerechtigkeit zwischen und für die Geschlechter nur real möglich sein können, wenn beide Geschlechter sich bewegen und weiterentwickeln, ansonsten bleibt es insgesamt nur Stückwerk. Um darauf zu kommen müssen wir uns nicht in weite Ferne begeben, sondern uns nur hier umgucken (Stichwörter: häusliche Gewalt, Missbrauch, Alkoholismus, Lohngerechtigkeit, Verteilung in den oberen Etagen von Wirtschaft und Verbänden, etc.) und nein, es langt nicht als Gegenargument, dass auch Frauen Täter und Männer manchmal anders.

Doch warum tut sich da nix? Warum dümpelt die Männerbewegung jetzt schon seit Jahrzehnten so vor sich hin?

Keine Ahnung. Ehrlich, ich verstehe es nicht und greife deshalb auf diesen Gedanken zurück:

Warum soll ich (Mann) etwas ändern, bei dem es mir unterm Strich doch vorgeblich gut geht? Meine Erfahrung ist, dass diese innere Grundhaltung noch in vielen Männerköpfen zumindest unterschwellig vorhanden ist. Aus meiner Arbeit weiß ich, dass Veränderungen ohne einen subjektiv empfundenen Leidensdruck einfach nicht funktionieren. Du musst es ändern wollen, mit allem, was du bist, nicht nur über den Kopf. Und ich glaube, daran hapert es bei vielen Männern noch. Es geht gar nicht um Unfähigkeit, sondern der innere Druck ist halt nicht da. Wie auch, in einer Gesellschaft, wo du als Mann, egal wie du dich aufführst, innerhalb der "Männergruppe" und auch gesellschaftlich insgesamt, immer auf Förderung, Verständnis, Unterstützung, Mitleid zählen kannst.

Der Weg daraus? Das frage ich mich seit mehr als 45 Jahren. Allereigentlich denke ich, dass können nur die Männer unter sich ausmachen. Die müssten anfangen, unter sich einen Druck aufzubauen, Glaubenssätze in Frage zu stellen, sanktionieren, Männlichkeit neu definieren, Vorbildfunktionen für die nachfolgende Generation übernehmen, und, und, und...

Solange Männer in Mehrheit nicht kapieren, dass sie mit dem was sie tun bzw. nicht tun sich und den nachfolgenden männlichen Generationen Schreckliches antun, solange wird sich für die weiblichen Wesen in dieser Gesellschaft auch zukünftig nichts wirklich Grundlegendes ändern.

Wie viel Energie muss man eigentlich als Mann Tag für Tag aufwenden um den eigenen Leidensdruck nicht wahrzunehmen und den der jungen Jungs nicht zu erkennen?

Mensch Mann, was mit dieser Energie alles Sinnvolles anzufangen wäre!

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