19.5.12


Gestern den ganzen Tag in Frankfurt. Überall Polizei in Massen. Zugenagelte Geschäfte – vor allem die, die keine Preisschilder in den Auslagen benötigen – und verrammelte Banken und Sparkassen. Dazu in der Innenstadt, da viele den Brückentag und das einigermaßen gute Wetter nutzten, viele Menschen aus dem Umland und Touristengruppen auf der Zeil. Demonstranten gab es auch. In kleineren Gruppen, da, sobald sie sich als Gruppe definieren ließen, immer gleich aufgelöst wurde. Gefallen haben mir die musikalischen Einlagen mitten auf der Zeil – da war Zeit zum Plaudern mit den Unbedarften und Neugierigen. Erstaunlich fand ich dieses Nebeneinander von eifrigem Konsum und Protest. Noch erstaunter war ich über die Uninformiertheit der meisten kurz inne haltenden Zuschauer, aber auch über die zum Teil auffällige Sprachlosigkeiten der Aktivisten bei wohlwollendem Nachfragen durch die ersteren. Wir leben in einer überinformierten Gesellschaft, in der kaum einer etwas wirklich weiß und dieses Wissen adäquat weiter geben/vermitteln kann. So erschien es mir zumindest. In meinen Gesprächen traf ich, gerade bei älteren Menschen, auf viel Wohlwollen, aber auch auf Hoffnungslosigkeit und Ohnmachtshaltungen. Und viele fragten nach Flugblättern, Informationsschriften, Handzettel. Gab es aber so gar nix. Ist das mittlerweile auch verboten, oder gehen die Aktivisten davon aus, dass jeder twittert oder sich sonst wie im Internet informiert? Das wäre allerdings eine dämliche Annahme. Was ist der Sinn einer Demonstration im öffentlichen Raum? Meinung und Haltung kundtun, aber auch die bisher Uninformierten über diese Meinung/Haltung verständlich zu informieren. Die Leute da abholen, wo sie sich befinden – geschah so gar nicht. Irgendwie kreiselte man etwas sehr um sich.
Das war es, unterm Strich, was mich traurig zurück ließ an diesem Tag -> Den meisten Menschen in der Innenstadt ging das Anliegen der Demonstranten irgendwie am Arsch vorbei, sie hatten gar keine Ahnung, um was es eigentlich geht und eine Vermittlung, bei den Interessierten und Wohlwollenden,  fand nicht statt.
Gefallen hat mir, die Freude und Freundlichkeit der überwiegend jungen Protestler.
Etwas anderes, was mir beim Sitzen und Beobachten ins Auge stolperte: Die sichtbare Schere zwischen Reich und Arm ist nirgends visuell so greifbar wie auf der Zeil in Frankfurt. Ich habe zum Beispiel  in all den Jahren noch nie so viele Menschen gesehen, die Flaschen sammeln, Papierkörbe durchwühlen – darunter auffällig viele, denen man Armut oder Obdachlosigkeit eigentlich auf den ersten Blick so gar nicht ansieht.
Die Polizei? Ja, die war halt da. Einige freundlich; einige sich fragend, was sie hier eigentlich sollen; einige wie geifernde Hunde, die endlich von der Kette gelassen werden wollten. Manche, mit denen ich sprach, konnten mir auch nicht erklären, um was es bei blockupy inhaltlich eigentlich gehe. Irgendwas gegen Banken und Reiche, oder so. Jesses.


Verlierst den Job, Dein Geld, Dein Haus und Deine Frau
Ersäufst Dein Leid in Bier und Schnaps und glotzt TV
Kannst Deinen Blick im Spiegel nicht ertragen
Doch niemals würdest Aufstehen Du Dich wagen
Frisst lieber Dreck, machst Dich ganz klein
Bleibst still und leise und daheim
Machst Schweigen Dir zum Himmelsboten
Denn Demos, die sind ja verboten
Braver Bürger, liebes Kind
Besorg Dir schon nen Sarg geschwind
Dein Leben rauscht an Dir vorbei
Du bist ganz Vieles, nur nicht frei


Privatissimo fiel mir noch etwas auf, schlug sich mir quasi unübersehbar ins Gemüt: Ich bin körperlich alles andere als fit und diese Rumlauferei strengte mich überraschend mehr an, als ich erwartete. Deshalb kann ich heute an der Demo nicht teilnehmen. Frau Müller, sie sollten, auch aus poltischen Gründen und in Verantwortung für sich und andere, endlich mal etwas für ihre Kondition tun. Verdammicht.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen