Schönheitswahn
und Überdruss
(Puzzleteile)
Die eine
kotzt sich die Seele aus dem Leib und die andere stopft sich mit Süßbatsch und
Fetttriefigem voll. Verhungern tun sie beide.
Körper und
Selbstwahrnehmung sind völlig verstört. Gib beiden ein Seil und lass sie ihren
Körperumfang damit als Kreis auf den Boden legen. Der eine ist viel zu groß und
der andere lächerlich klein. Nicht mal der Blick in den Spiegel hat die Macht
dieses Selbstbild zu korrigieren. Was für ein innerer Film läuft da denn ab?
Der eigene
Körper, entfremdet als Projektionsfläche für Modeschöpfer, Werbefachleute,
Diätpillenhersteller, Kosmetikfirmen und Showstars zur Verkündung von
Schönheitsidealen. Eigene Bilder werden damit so überlagert, dass die fremden
Schablonen als eben solche fast gar nicht mehr erkannt werden. Doch unser
Körper ist kein Satellit, der unabhängig und abgenabelt um uns kreist. Er wehrt
sich, er macht sich bemerkbar, er will zur Kenntnis genommen werden. Und dann
schmerzen die Schablonen, drücken und zwicken uns. Wir fangen an unseren Körper
zu bekämpfen. Schämen uns für ihn und vielleicht hassen wir ihn sogar. „Du bist
nicht perfekt!“ kreischen wir und malträtieren ihn mit Essensentzug oder
bestrafen ihn mit Mästung. Alle Gedanken kreisen, kreisen, kreiseln nur noch um
ein Ziel: Ich will so aussehen, wie die da auf dem Cover, der da in der
Castingshow, die da auf dem Laufsteg. Denn dann, nur dann werde ich geliebt,
hofiert, geachtet, wahrgenommen werden. Dann werde ich endlich glücklich und
zufrieden sein.
Boah, Leute,
das ist der geilste Werbegig überhaupt und macht ne Menge Menschen richtig
reich. Dich nicht. Du zahlst. Mit deiner verlorenen Selbstachtung, mit deinem
eingestampften Selbstwertgefühl, mit deiner Gesundheit, mit deinem
eingefrorenen Lächeln, mit deiner Unabhängigkeit, mit deiner Zukunft... und
natürlich mit ner Menge Geld.
Erinnert
dich das an irgendwas? Sklaverei? Ne, so übertrieben ist es nicht. Eher so, als
würdest du dem Sisyphos sagen: „Lass mich mal Mann, ich bekomm das schon hin
und dann gehen wir nachher einen trinken.“ Völlig an den Vorgegebenheiten
vorbei. Also hör jetzt endlich auf damit! Lass den Stein einfach liegen, dreh
dich um und vergiss ihn. Ist nicht dein Ding. Alles nur ein Kunstprodukt, in
Szene gesetzt auf Grundlage eines im Gehirn erzeugten idealen Schönheitsbildes.
Hat nix, aber auch gar nix mit Realität zu tun: Stundenlange Maske, super
Fotoequipment und absolut Hightech Bildbearbeitungsprogramme. Nicht mehr und
nicht weniger. Die Endprodukte würdest ohne all das Drumherum nicht erkennen,
auch wenn sie dir am Tisch gegenüber säßen. Lass es einfach sein, dich im Leben
an deren hyperrealen Vorgaben zu orientieren.

„Das ist
mein Körper! Er gehört einzig und alleine mir. Allein das macht ihn schon schön
und einzigartig. Die Verantwortung für ihn trage nur ich und die lasse ich mir
auch nicht nehmen. Guten Tag, auf Wiedersehen! ... Ach, und Frau Klum, ihr
Handtäschchen, da wir uns ja nicht noch mal treffen werden, nehmen Sie es doch
bitte gleich mit! Dankeschön!“
(Anmerkung:
Es geht dabei nicht um Menschen mit (psycho) somatisch bedingten
Krankheitsbilder, sondern um Otto und Ottilie Durchschnittsnormalbürger)
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