Lehrstück eben beim Einkaufen im Supermarkt, Kurzfassung:
Zwei Damen streiten sich:
Junge Dame: „Sie haben mich an der Kasse geschubst. Und
als ich sagte, Sie sollen aufhören, wollten Sie mich schlagen! Ich habe es
genau bemerkt!“
Ältere Dame: „Ich komme aus Afghanistan. Mein Mann hat gute
Arbeit. Meine Kinder, sie studieren. Ich gute Frau! Ich nicht schlagen!“
Junge Dame: „Was erzählen Sie mir da für einen Scheiß!
Das interessiert mich nicht! Was interessiert mich, was ihr Mann macht oder
ihre Kinder? Sie haben mich geschubst!“
Die ältere Dame versucht es nochmal und erzählt
aufgeregt, was genau ihr Mann arbeitet und was ihre Kinder studieren. Für die
junge Dame und die Zuschauer kommt sie damit jedoch einfach nicht auf den
eigentlichen Punkt. Und irgendwie wirkt sie dadurch schuldig. So als würde sie
drum herum reden und/oder ausweichen.
Das ist ein gutes Beispiel für misslungene
interkulturelle Kommunikation. In vielen Kulturen, und ich kenne es z.B. aus
dem Iran und aus Afghanistan, gehört es bei einem Streitgespräch, vor allem in
der Öffentlichkeit, zu einem unbedingten Muss und zum guten Ton, dass man zuerst
recht ausführlich erklärt, wer man ist, welchen gesellschaftlichen Status man
hat. Für die eigene Reputation einer Frau ist da die Stellung von Mann und
Kindern ein wichtiger, ja gar der wichtigste Baustein. Damit wird die eigene
Integrität und Glaubwürdigkeit nach außen festgestellt. Erst danach spricht man
über den eigentlichen Gegenstand des Streites.
Das hat mich oft zur Weißglut gebracht (der Vater meiner
Kinder brachte es fertig, als die GEZ vor der Tür stand, immer wieder das
Argument vorzubringen, dass sein Sohn Ringer in der Nationalmannschaft sei – die kamen nicht wirklich in ihrem Gespräch auf
einen grünen Zweig, weil beide sich missverstanden fühlten ;-) ). Aber, mal
abgesehen von den verquerten gesellschaftlichen Implikationen in Bezug auf die
Rolle der Frau, habe ich feststellen können, dass der Aggressionspegel
schlichtweg sinkt, wenn man sich erstmal über die Familien unterhält.
Ein gutes Beispiel auch dafür, dass in einer Einwanderungsgesellschaft
eben nicht nur die Zuwanderer, sondern auch die heimische Bevölkerung
Integrationskurse benötigt, am besten gemeinsame. Dann funktioniert es vielleicht
besser mit dem gegenseitigen Verständnis und der Kommunikation.
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