So ganz richtig kann ich mir, die ich Mitte der fünfziger
Jahre hier geboren wurde und aufgewachsen und alt geworden bin ohne jemals in
meiner Heimat von Krieg, Gewalt, Hunger und totaler Hoffnungslosigkeit bedroht
worden zu sein, gar nicht ein Szenario vorstellen, ich mein, so richtig
vorstellen, dass mich um des Überlebens willen dazu zwänge mich mit meinen
Kindern auf eine Reise zu begeben, deren Ausgang vielleicht auch der Tod sein
könnte. Welch unsäglicher Schrecken und Wahnsinn müsste um mich drum herum
herrschen, dass ich denken könnte, die klitzekleine Chance des Überlebens auf
der Flucht sei doch noch größer, als die Möglichkeit in meiner Heimat zu
überleben. Welch abgrundtiefe Hoffnungslosigkeit müsste in mir toben. Allein
die Vorstellung macht mir ein innerliches Zittern. Und doch, ja, ich würde nach
jedem Strohhalm greifen. Für meine Kinder. Ja, das würde ich.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen