Da schreibt „Die Welt“ ganz locker „Jeder, der bisher für
die Flüchtlinge eintrat, sieht durch die Übergriffe von Köln seinen guten
Willen geschändet.“ Ich nenne so eine Überschrift schlichtweg Brandstiftung.
Als ich fühle mich
in meinem guten Willen und meiner Hilfsbereitschaft nicht
"geschändet". Was für ein Begriff überhaupt *grummel … Wenn solche
Vorfälle wie Silvester mich von meiner Menschlichkeit, meiner
Hilfsbereitschaft, meinem Mitgefühl abbringen könnten, wenn sich mein Welt- und
Menschenbild dadurch grundlegend verändern könnte, dann wäre ich schon seit
Jahrzehnten ein wandelnder Eisblock bei all dem Unsäglichen was der Mensch dem
Menschen so antut.
Auf der anderen Seite, weil mir ja immer Blauäugigkeit
unterstellt wird: Ja, ich bemerke seit Jahren, dass die Aggressionen im
öffentlichen Raum, besonders wenn sich
Gruppen zusammen finden (Nationalitäten sind mir da egal) , zunimmt. Und ich
frage mich jedes Mal, wenn ich damit konfrontiert werde:
1. Warum explodiert das nicht mehr und heftiger, bei
Zunahme von all dem Elend, der Ungerechtigkeit, der Diskriminierung, der
gesamtgesellschaftlichen Kälte?
2. Wie gehe ich als einzelner Mensch konkret damit um,
wenn ich aus einem kommunikationsfähigen Subjekt plötzlich zum Objekt von
unreflektiertem Hass und von Gewalt werde?
Die Antwort auf die erste Frage lasse ich hier mal weg,
denn dazu müsst man weit ausholen. Beantworten kann ich aber die zweite Frage:
Ich wehre mich, ich schreie, tobe, hol mir Hilfe, schlag zurück, versuche zu
überleben und wenn das gelingt mich an der Strafverfolgung im Rahmen des
Gesetzes zu beteiligen. Auf der Metaebene bemühe ich mich standhaft darum nicht
genauso ein unreflektiertes menschenverachtendes Arschloch zu werden wie die.
Kein Spaziergang das Ganze.
„Mir persönlich
machen nicht die vermeintlich kriminellen Flüchtlingshorden, sondern die immer
stärker werdenden rechten Gruppierung wie PEGIDA; AfD und Co. Sorgen und daß
statt diesen mit Aufklärung begegnet wird, werden sie noch hofiert. Es ist
dieser Rechtsruck der bürgerlichen Mitte, die besorgniserregend ist.“
„Guck, man denkt sofort nur an "Flüchtlinge".
Ich schrieb aber, sehr bewusst, dass ich seit Jahren die Erfahrung von
steigender Gewalt und Aggression im Öffentlichen Raum mache und da gab es diese
große Zuwanderung doch noch gar nicht. Ich rede von Gruppen, die sich
zusammenfinden, nach der Feier, vor der Feier, oder einfach auf Plätzen und auf
der Straße, in den U-Bahnen, in den Parks, meistens betrunken, (wie nennen die
jungen Leute das? "Vorglühen“?) meistens junge Männer, aber manchmal auch
junge Frauen und aus denen heraus plötzlich eine Gewalt springt, die dich
einfach überrollt. Und ja, ein Teil dieser Leute finde ich jetzt auch in der
rechten Szene wieder. Aber nicht nur.“
„Ein Faktor bei
diesem Anstieg dürfte in der vermehrten Perspektivlosigkeit vieler liegen, der
gesamten gesellschaftlichen Kälte, jeder soll sich optimieren, jeder steht in
Konkurrenz zum anderen, um den Arbeitsplatz und so weiter.“
„Siehst du und genau dieser Diskurs wird zurzeit nicht
mehr geführt, weil sich alles um die paar (ja, es ist eine Minderheit!) Deppen
von Pegida, AfD, etc. dreht und dreht und dreht. Dabei wären das die
nachhaltigeren und viel wichtigeren Diskussionen: Was passiert in unserem Land,
wenn immer mehr Menschen in die Perspektiv- und Hoffnungslosigkeit abgedrängt
werden? Was macht das mit einer Demokratie? Und all das, was da an Analyse etc.
dazu gehört, ist einfach weg vom Tisch jetzt.“
Ergänzung: Ursachen? Zusammenhänge? Besteht wenig
Nachfrage zurzeit. Alles hetzt von Empörung zu Empörung. Die moderne Form der
altbekannten "Brot und Spiele" Szenarien. Es ist so banal: Es ist so
ausgesprochen entlastend, zumindest kurzfristig, in Empörung und Hass zu
schwelgen. Das kleine, kaputte, weinende, sehnende Ich kann sich für Momente
groß und stark fühlen. Und die großen
Ichs, die, die sich in ihrem pathologischen Narzissmus und ihrer Psychopathie
behaglich eingerichtet haben, gehen mittlerweile weiter ihren dreckigen
Geschäften nach.
Das hat mich schon immer traurig gemacht: Was für eine
Energie da verschleudert wird in Selbstzerfleischung der eigentlichen
Mitstreiter alleine durch die falsche Stoßrichtung. Boah, wenn die in die
richtige Richtung laufen würde, für Menschlichkeit und Miteinander, dann würden
die Soziopathen an der Macht aber dumm aus der Wäsche schauen. Und damit schließt
sich der Kreis.
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