7.7.17

Nein, ich habe keine klare, abgerundete und im Augenblick schreibbare Position dazu (G20, Gewalt, Hamburg), weil es in meinem Kopf viel zu viele Ebenen gibt, die ich gar nicht alle hier zusammenhängend darstellen kann. Deshalb nur Auszüge von einzelnen Gedankengängen. Warum ich das mache? Weil es mir hilft zu sortieren und vielleicht anderen auch. Die, die mir in den Diskussionen seit gestern ihre lauten schwarz-weiß Standpunkte vor die Füße knallen, die, die sind mir suspekt.

Ja, es gab und gibt gesellschaftliche Situationen, da ist/kann die "Gewalt der Straße" das Zünglein an der Waage in einem kleinen Zeitfenster des radikalen Umbruchs sein. Davon sind wir in Deutschland jedoch meilenweit entfernt. Also, was sollen diese Straßenschlachten? Das ist so naiv und ebenso kindisch. Auf beiden Seiten. Sie sind kein Abbild der realen Gegebenheiten, wenn es um die tatsächlichen Macht- und Gewaltverhältnisse geht.

Du, der da so wütend (bist du wirklich wütend?) und Zeugs zerschlagend durch die Straßen rennt, kannst dir das doch nur erlauben, weil die Gegenseite noch nicht mal ansatzweise alle ihre vorhandenen Geschütze aufgefahren hat. Das heißt doch, du bist nicht wirklich eine Bedrohung, sondern höchstens lästig oder besser noch, ein feines Objekt, dass man vorzüglich zur Vermarktung des eigenen Gut-Seins und im vorgeblichen Recht-Seins auf Seiten der Staatsgewalt benutzen kann. Merkst du nicht, dass du dich durch dein Verhalten zum Handlanger derjenigen machst, die du angeblich bekämpfst?

Und was ist das denn für eine Utopie, für die du da kämpfst? Wie ernst ist es dir damit? Oder hat dies alles eine ganz andere Funktion in dir? Würdest du Jahrzehnte lang in den Knast gehen, dich foltern und erniedrigen und dich töten lassen, würdest du selbst töten, so von Angesicht zu Angesicht, weil du so sehr von deiner ausgearbeiteten Vision überzeugt bist? Wirklich? Leute, ich kenne zu viele von euch persönlich, um das glauben zu können. Da müsste schon mehr „dafür“ von dir kommen und nicht diese ewige „dagegen“!

Die Staatsgewalt marschiert auf und setzt sich mit dieser und jener Aktion absolut ins Unrecht? Ähm, natürlich. Wir leben in einem politischen und wirtschaftlichen System, in dem dies unter anderem eben auch möglich ist. Darum gehen die Menschen ja auf die Straße, führen Prozesse und wehren sich dagegen. Aber warum man mit den gleichen Mitteln, die man ja zu recht scharf kritisiert und bekämpft, selbst zurückschlägt, das habe ich noch nie kapiert. Scheiße wird doch nicht zu Gold, nur weil jemand anderes sie auskackt.

Also, nochmal die von mir ernst gemeinte Frage: Worum geht es dir und dir mit solchen Aktionen eigentlich?

*Anmerkung 1
Das Anzünden von Autos in normalen Wohngegenden, das Zerschlagen von Scheiben in kleinen Geschäften, ... das nenne ich willkürliche Gewalt um der Gewalt willen. Wo steht da dein Feind? Woher weißt du, wem das Auto und das Geschäft gehören? Vielleicht ist das ein Jemand, der bisher solidarisch an deiner Seite stand. Oder jemand, der sich bisher durch Solidarität und Hilfsbereitschaft ausgezeichnet hat. Oder einfach jemand, der gerade noch so am Überleben ist. Oder eine allein erziehende Mutter, die nach einem riesigen persönlichen Aufwand und viel Verzicht endlich dieses Auto für sich und die Kinder anschaffen konnte. Oder, oder ... Allereigentlich gehört in meiner Welt willkürliche, quasi mit dem Gießkannenprinzip ausgeteilte, Gewalt eher zu den Macht und Profit geilen Arschlöchern in Staat und Wirtschaft.

**Anmerkung 2
Und ja, ich weiß, man sollte materielle Sachen nicht mit Menschenleben vergleichen, trotzdem huschen mir beim Ansehen der aktuellen Videos die Bilder von bestimmten Attentaten jedweder Couleur, bei denen willkürlich und wahllos Menschen wie Objekte zerschossen, zerschlagen, überrollt und in die Luft gejagt werden, durch den Kopf. Es gibt da eine Verbindung. Lasst mich nachdenken.

***Anmerkung 3
Ein Puzzleteilchen in all dem Denkgedöns. Jeder bringt seine ganz eigene Geschichte mit in seine aktuellen Handlungen ein. Jede und jeder, auf dieser oder auf jener oder irgendeiner Seite. Ich weiß nicht, ob mir da irgendwer folgen kann: Ich weine um die Kinder, die da einmal auf die Welt kamen mit so vielen Ressourcen und Potentialen. Und dann sehe ich sie als getriebene Erwachsene, immer noch suchend und suchend oder gar vermeintlich gefunden habend. Und wie sie mutig, verwirrt, kreativ, diszipliniert, chaotisch, irrend, standhaft... versuchen ihr Leben zu meistern und in ihrer kleinen Welt ein guter Mensch zu sein. Ja, ich sehe sie auch in den Gewalttätern, in den Polizisten ... und, und, und ... Ich kann diesen einen, speziellen Blick nicht ausblenden und nicht immer unterdrücken. Er sucht und findet Wege in mir. Immer wieder. Deshalb tauge ich wohl nix für Parteien und Verbünde und ideologische Schwestern/Bruderschaften. Weil es mich immer dazu drängt den Einzelnen zu sehen. Muss ich mit leben. Vielleicht bin ich deshalb Pädagogin und Therapeutin geworden, weil es immer wieder auf das eine hinausläuft: Alles, wirklich alles fängt beim Kinde an. Mit der eigenen Haltung zu Kindern und dem eigenen Kind in uns. Da liegt die eigentliche Lösung. Nur da.
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Ihr merkt, das Thema treibt mich um.  

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